Sharon Van Etten
Remind Me Tomorrow
Jagjaguwar/Cargo (VÖ: 18.1.)
Zwischen betörend und verstörend: Die Songwriterin tastet sich weiter in die Düsternis.
Die Platte hat ein super Cover, ein Schnappschuss aus der Kinderzimmerhölle, die – junge Eltern wissen das – jederzeit nur einen unachtsamen Tag weit entfernt ist. Besonders schön: das nackte Mädchen in der Plastikkiste, mit goldenem Diadem und Kette. Aufräumen, jetzt? REMIND ME TOMORROW. Die Antithese zum deutschesten aller Alltagssprüche, zum notorisch missvergnüglichen „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“.
Sharon Van Ettens Musik durchleuchtet seit jeher ein Seelenleben, das ähnlich chaotisch strukturiert ist wie der Raum auf dem Cover. Deshalb passte ihr Song „Tarifa“ so gut in die Bang Bang Bar von „Twin Peaks“: Mit ihrem Auftritt endet die sechste Folge der finalen Staffel. Hier spielte sie noch Gitarre, danach legte sie das Instrument zur Seite, um die neuen Songs für REMIND ME TOMORROW auf Tasteninstrumenten zu komponieren.
Und diese Entscheidung hat Folgen: Das Album klingt mechanischer, verstörender. Die Single „Comeback Kid“ besitzt einen dunklen Puls, erinnert an die düsteren Damen der frühen Wave-Jahre, an Lene Lovich oder Siouxsie Sioux. „Memorial Day“ verzichtet auf eine klare Melodie, hier geht es nur noch um Atmosphäre, es ist das erste Lied dieser großartigen Songwriterin, das man genervt wegschaltet.
AmazonViel stärker sind die Stücke, bei denen sich Van Etten aus der Dunkelheit erhebt, „Jupiter 4“ ist ein gutes Beispiel und bietet eine weibliche Sichtweise auf den musikalischen Kosmos, in dem sich seit einigen Jahren Nick Cave herumtreibt.