Rina Sawayama
Hold The Girl
Dirty Hit (VÖ: 16.9.)
Futuristischer Pop, der vor nichts zurückschreckt, nicht mal vor Noughties-Melancholie.
Nach dem Release ihres ersten Albums konnte Rina Sawayama nicht nur Features mit Hyperpop-Darling Charli XCX und Sir Elton John verbuchen. Sogar Lady Gaga lud sie ein, ihren Song „Free Woman“ zu mixen und die BRIT Awards schrieben nach ihrem Ersuchen die Auswahlkriterien zur Nominierung britischer Künstler*innen um (Jetzt gilt: Wer seit über fünf Jahren im UK wohnt, darf auf die Liste).
Mit HOLD THE GIRL präsentiert Sawayama zwei Jahre nach ihrem Debüt ein aufwendig produziertes Pop-Album, das wie gewohnt nur so vor musikalischen Referenzen aus den Nullerjahren strotzt. Und es trotzdem schafft, Noughties-Melancholie in futuristisch gewandten Pop zu kleiden. Ein poliertes Kitschkunstwerk unserer alten MP3-Player-Songs quasi. Und dabei vielleicht allzu überladen, um im Mainstream durch die Decke zu gehen – außer die Songs trenden auf TikTok, denn dort ist alles möglich.
Die Platte versteht sich nicht nur als Ode und Umarmung an ihr jüngeres Selbst, dessen Erfahrungen nicht widergespiegelt werden in einer Mehrheitsgesellschaft, sondern auch als Empowerment für die queere Community. So zeigt „This Hell“ der Queerfeindlichkeit den metaphorischen Mittelfinger, verpackt in synthetische Club-Beats und Glam-Metal-Riffs – wenn schon Hölle, dann wenigstens mit Stil. Songs wie „Imagining“ könnten aus der Hyperpop-Clique von PC Music stammen, während auf dem Titeltrack Country-Einschläge den Ton angeben, um wiederum von orchestralen Streichern und Drum’n’Bass-Beats abgelöst zu werden. Rina Sawayama ist ein Meisterin des Genre-Eklektizismus und schafft auf HOLD THE GIRL gleichermaßen eingängigen wie herausfordernden Pop.