Mittekill

Die montierte Gesellschaft

Weltgast Music/Soulfood

Der Pop-Soundtrack zur Realität: Das vierte Mittekill-Album beschäftigt sich mit „hochgeklappten Wutbürgersteigen“ und den Migrationsbewegungen der letzten Jahre.

In Texten über die Musik von Mittekill schwingen verblüffend oft Ressentiments gegen den Stadtteil, nach denen sich das Projekt womöglich benannte, mit – oft besprechen die Rezensenten eher dessen Bewohner als die tatsächliche Musik. Das ist ohnehin kein ratsamer Ansatz, im Falle des neuen Albums von Friedrich Greiling scheitert er endgültig. Denn der Mittekill-Mann berichtet zwar in einem sehr engen Sinne von Bevölkerung, fasst diesen Begriff aber so weit, wie er nun mal ist: DIE MONTIERTE GESELLSCHAFT ist eine Beschreibung dessen, was in den letzten zwei Jahren – ach, eigentlich schon längst davor – passiert ist. Eine Geschichte vom Ankommen vieler Menschen, von der Reaktion der anderen, vom Zusammenkommen.

Die Songs folgen dabei im weitesten Sinne Greilings bereits bekannten Arbeitsweisen. Sowohl was die Musik als auch die Texte angeht, wechseln sich Verästelung und Linearität ab. Synthiepop trifft auf Weltmusik und Balkanbeats, am­bienter Techno auf The Clash, die Gäste, die Greiling einlud, sind nicht die üblichen Verdächtigen, sondern etwa der als Vorsitzender der Bergpartei bekannte Jan Theiler alias Pastor Leumund, das Heim und Flucht Orchester oder Mohamed, Seif und Milad, die von ihrem Schulalltag in der Freiburger Internatio­nalen Schule am Römerhof berichten.

„Kein Wort Deutsch. Ich fühle mich wie ein Verlierer“, heißt es später. „Alles wird gut, zum Beispiel bei Frau Schuh.“ In „Phantom der deutschen Opfer“ wird von „gefühlten Fakten, durchwühlten Akten“ gesungen und vom „Totschlag aus Angst“. Im Gegensatz zur behaupteten Authentizität, die dieses Jahr eines der Hauptmotive im deutschsprachigen Pop war, eine Platte, die wirklich wahr im wörtlichen Sinne ist und deshalb rasend interessant.

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