Miguel
War & Leisure
Domino/GoodToGo (VÖ: 01.12.)
Miguel zapft für seinen R’n’B- und Digital-Funk gleich zwei Energiequellen an: die Hoffnung auf sexuelle und politische Heilung.
Der Albumtitel wäre eine gute Überschrift für das Popjahr 2017. „Krieg und Muße“ – zwischen diesen beiden Themenfeldern werden im Jahr Nummer eins unter Trump viele Musiker hin- und hergerissen gewesen sein. Was brauchen wir denn dringender – Ablenkung oder Revolution?
In der fantastisch groovigen Single „Told You So“ hielt Miguel seine Antwort doppeldeutig: In den in allerbester Prince-Manier hingeschmachteten Zeilen wie „I can set you free. Just come with me“ ist das Politische gleich mit eingebaut. An dieser Gratwanderung zwischen Funk-Party und Kommentar auf eine an allen Ecken und Enden brennende Welt versucht sich der Sänger auch auf Albumlänge.
WAR & LEISURE ist eine exzellent produzierte Sammlung von R’n’B-Singles. Jede einzelne luftig und catchy, mit Anleihen an Psychedelic-Funk, Latino-Rock und zeitgenössischen HipHop, durchzogen von Gitarrenhall und getragen von Miguels Gesangs-Gestus (für diese Art von erotischer Lässigkeit ist Popmusik doch gemacht worden).
„Pineapple Skies“ klingt mit seinen blubbernden Synthesizern wie eine upgedatete Version von Marvin Gayes unsterblichem „Sexual Healing“. Aber von den Rändern dieser Upbeat-Musik schleichen sich Angst und Unsicherheit in die Songs: „Come Through And Chill“ beginnt mit gesäuselten Textmessages an eine neue Flamme und verwandelt sich abrupt in eine Mini-Polithymne: „You’ve been on my mind like Kaepernick kneelin’. Or police killings, or Trump sayin’ slick shit.“ Vergnügen bekommt man in diesen verrückten Zeiten auch bei einem Pop-Crooner wie Miguel nicht mehr ohne ein bisschen schmerzliche Realität. Fair enough!