La Tourette
The Great Mickey Mouse Swindle
Solaris Empire/Broken Silence (VÖ:05.05.)
Ein unerträgliches Vergnügen zwischen Jazzpop und bizarren stilistischen Verrenkungen ist das Debüt des Berliner Duos.
Dieses Album lässt sich nicht so ohne Weiteres genießen – und damit macht man der Songschreiberin und Pianistin Tonia Reeh vermutlich ein großes Kompliment. Denn alles, was allzu leicht verdaulich, ja gefällig daherkommt, ist ihr suspekt. Dem Easy Listening setzt sie ihr sehr eigenes Konzept des „Hard Listening“ entgegen, man könnte auch sagen: eine kalkulierte Zumutung. Auch im Duett mit dem Jazz-Schlagzeuger Rudi Fischerlehner vollführt sie irrsinnige stilistische Verrenkungen.
Auf ihrer ersten gemeinsamen Platte THE GREAT MICKEY MOUSE SWINDLE ist deswegen kein Stück wie das andere: Hatte man eben noch geglaubt, vor sich hin träumen zu dürfen wie etwa im Opener „Entblindung“, meint man in „Do You Wanna Go“ die Hüften zu bizarren Rock’n’Roll-Rhythmen kreisen lassen zu müssen. Hatte sich das Ohr eben noch an melodiösen Jazzpop gewöhnt, platzen in „Killer“ Flamenco-Gitarrenakkorde und Latin Grooves dazwischen. Es ist, als wollten die beiden um wirklich jeden Preis verhindern, dass man sich in ihrer Musik allzu sicher und wohl fühlt, so rasant springt das Berliner Duo von Stil zu Stil. Richtig schräg und geradezu anstrengend wird dieses aberwitzige Album aber erst durch Tonia Reehs mehrstimmigen Gesang, den sie in ihrem Homestudio aufgenommen hat. Ihre Alt-Stimme schraubt sich nach oben und nach unten, sie krächzt, sie zuckt, sie hyperventiliert – und sie macht dieses exzentrische La-Tourette-Debüt zu einem unerträglichen Vergnügen. (Thorsten Glotzmann)