Kelela
Raven
Warp/Rough Trade (VÖ: 10.2.)
Auch gerade zwischen Alternative-R’n’B und Retrosoul kann weniger viel mehr sein.
Es ist vielleicht ein bisschen früh, um beste Alben des Jahres zu küren – aber Kelelas lang erwartete zweite Platte RAVEN kann man schon jetzt zu den Anwärterinnen auf die R’n’B-Krone zählen. Kelelas so spröder wie leidenschaftlicher Mix aus elektronifiziertem Soul und Alternative-R’n’B sorgte 2017 für Aufsehen und ließ die Erwartungen steigen, doch die Künstlerin zog sich, enttäuscht von der Musikbranche, zurück. Ihre Rückkehr gerät triumphal, der titelgebende Rabe dient als Symbol für das Wandeln zwischen verschiedenen Welten, die bei Kelela Pop und Underground heißen.
AmazonWie die stolze Cousine von FKA Twigs und Beyoncé schreitet, oder besser schwebt Kelela durch einen spartanisch arrangierten Track wie „Fooley“, der aus Two-Step-Beats und Hall gebaut ist. Im minimalistisch-retrosouligen „On The Run“ klingen ihre Vocals wie die der Grand Dames von En Vogue, erotisch aufgeladene Stimmung entsteht durch ein subtiles Marvin-Gaye-Sample plus Telefonklingeln im Hintergrund – weniger ist mehr.
Überhaupt können paradoxerweise die Momente, in denen Kelelas Gesang nicht präsent ist, sehr intensiv sein. In ihrer Abwesenheit tritt die spezifische Mischung aus sinnlichen Balladen und atmosphärischen Drum‘n‘Bass-Beats besonders stark in den Vordergrund. Doch noch toller ist es, wenn ihre Stimme erklingt: „Bruises“ scheint vor nachtdunkler Spannung zu vibrieren, Kelela singt wie aus einem langsam cruisenden Auto heraus – großartig. Folgt dem glänzenden Raben.