Freiwillige Selbstkontrolle

TOPSY-TURVY

Buback Tonträger/Indigo/Zebralution (VÖ: 13.10.)

Ein aktuelles Stimmungsbild in Postpunk-, Elektro- und Jazz-Farben. Im 43. Bandjahr holen die Münchner Rückkoppelungen aus Chicago und London auf Platte.

Dem Drunter und Drüber dieser Welt haben Freiwillige Selbstkontrolle einen Song auf ihrem neuen Album zugespielt, aber in diesem ist alles schön sortiert: Beats und Bass bauen fortlaufend an einem Gerüst, darüber liegen Keyboard-Flächen, die aus einem House-Track stammen könnten. Eine kleine Ansage nur: „Topsy-Turvy World“. Es wird ruhig im Zentrum dieser Platte, im Sieben-Minuten-Edit darf die Band-eigene Dialektik zu sich selbst finden. „Home Office“, heißt der nächste Track, nur ein irrlichterndes Freejazz-Piano durchwirkt diese neue Ruhe.

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Das beliebte Team Hofmann-Meinecke-Melián-Oesterhelt-Petzi heißt uns im 43. Jahr der F.S.K.– Bandgeschichte willkommen, 2023 wird die Jazzblues-Verweismusik vergangener Tage aber von aktuellen Kontexten eingeholt. Wenn Cello, Trompete oder Posaune im kargen Postpunkambiente auftauchen, sollte es sich um Rückkopplungen handeln, die die jüngeren Jazz-Eruptionen made in Chicago oder London mitnehmen, international-outernational gedacht und frei improvisiert.

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Es geht aber auch um Beutekunst, Adornos Heimatort Amorbach, die Rückkehr zur Kaufhalle und den französischen Filmer Claude Lanzbach (F.S.K. knien vor der Resistance nieder). Dem Demonstrationswesen schenkt die Band eine neue Betrachtung in „Das Parlament der Dinge“: „Angelegenheiten haben oft zwei Seiten, kann man sich jeweils hin drehen, Krieg heißt plötzlich Frieden, Granaten Leoniden, mein Sofa hat mit mir ein Problem.“ Da möchte man mitwippen und Andreas Dorau zitieren: „Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie.“