Franz Josef Degenhardt :: Gehen unsere Träume durch mein Lied

Polydor/Koch/Universal

Das Vermächtnis des im November 2011 verstorbenen Liedermachers. Engagiert bis zum Ende: 64 ausgewählte Songs der Jahre 1963 bis 2008 auf einer 4-CD-Box.

Als vor geraumer Zeit eine 4-CD-Edition der Lieder von Franz Josef Degenhardt mit dem poetischen Titel Gehen unsere Träume durch mein Lied konzipiert wurde, ahnte wohl keiner der Beteiligten, dass diese das Vermächtnis des Liedermachers werden sollte. Leider wurde das Ableben von Franz Josef Degenhardt im November 2011 von der deutschen Medienlandschaft kaum beachtet. Lediglich der digitale Spartensender BR-Alpha traute sich, nach Mitternacht ein 15-minütiges Kurzporträt des Liedermachers, Schriftstellers sowie promovierten Juristen und Rechtsanwalts aus dem Jahr 1965 zu zeigen. Da saß Degenhardt, dank des unmittelbar vorangegangenen Erfolgs seiner Außenseiterhymne „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, in einem großen dunklen Studio mit nie ausgehender Zigarette, beantwortete klug Fragen eines anonymen Gegenübers in einem verklausulierten Duktus, der vor 46 Jahren den Fernsehzuschauern suspekt vorgekommen sein muss. Ähnliches Befremden dürften heutzutage mehrheitlich auch die 64 sorgsam ausgewählten Lieder der Jahre 1963 bis 2008 auslösen, die auf dieser 4-CD-Box zu finden sind. Dass der große französische Chansonnier George Brassens Franz Josef Degenhardts Gott war, unterstreichen viele seiner zumeist nur von einer Akustikgitarre oder in kleiner Besetzung begleiteten Lieder und Balladen, darunter Klassiker wie die Spießbürgerhymne „Deutscher Sonntag“, die ewig aktuelle Anti-Faschismus-Parabel „Wölfe mitten im Mai“ und die Schmunzelsatire „Horsti Schmandhoff“. Ohne Zweifel schrieb Franz Josef Degenhardt in den ersten 15 Jahren seiner Laufbahn seine stärksten Songs: „Rumpelstilzchen“, „Väterchen Franz“, „Wenn der Senator erzählt“, „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“, „Entschuldigung eines alten Sozialdemokraten“, „Fast autobiografischer Lebenslauf eines westdeutschen Linken“ und „Wildledermantelmann“ illustrieren den politisch aktiven Kommunisten, den Agitator, den Demagogen, den Entrüsteten, der vor Gericht Mandanten der Außerparlamentarischen Opposition verteidigte und nur mit Widerwillen seinen Status als Idol der 68er-Generation zur Kenntnis nahm. Doch auch spätere Werke wie „Drumherumgerede“, „Du bist anders als die Anderen“, „Botschaft an eine Enkelin“ und „Quantensprung“ präsentieren den unermüdlich Aufrechten und wachen Geist, der auf Junge Paare auf Bänken schon mal ein ganzes Album lang Georges Brassens eindeutschte. Unglaublich humorvoll konnte Franz Josef Degenhardt auch sein, wenn er wie auf der raren Single „Vatis Argumente“ aus dem Jahr 1968 die linke Ideologie durch den Fleischwolf dreht, unter dem verschmitzten Credo: „Ärmel aufkrempeln, zupacken, aufbauen“.

Die Doraus & die Marinas