Ebow
Komplexität
Problembär/Rough Trade (VÖ: 17.11.)
Ebow liefert auf ihrem Zweitwerk Deutschrap voller Sozialkritik, Culture-Clash und deutlichen Retroanleihen.
Dass Deutschrap inzwischen den tiefsten Mainstream der deutschen Poplandschaft erreicht hat, dürfte jedem spätestens beim Blick auf die Charts der vergangenen Jahre klar sein. Das neue Album von Ebow reiht sich allerdings nicht in erfolgreiche Motive vorgegangener Megaseller der Kollegen ein: Ebow, die bürgerlich Ebru Düzgün heißt, macht weder Kopfnicker-, noch Pumper-, noch Studentenrap.
Ihre Einflüsse liegen bei Culture Clash-Künstlern wie M.I.A. oder im Amerikanischen „conscious rap“. Auf KOMPLEXITÄT prangert Ebow soziale Missstände an („Asyl“), äußert Gesellschaftskritik („Paradise“) oder eröffnet dem Hörer Einblicke in ihr eigenes Seelenleben („Das Wetter“, „Casual Dating“). Am Effektivsten ist KOMPLEXITÄT wenn die türkischstämmige Düzgun ihre Einflüsse, Sprachräume und Sozialisationen vermengt – wie im Albumauftakt „Ghetto Rave“: Darin rappt sie auf einen bedrohlichen Old-School-Beat, der mit Ethno-Anleihen angereichert wurde.
https://youtu.be/0ioMH0pVSGo
Sie spricht ihre „Habibis“ an, spricht Lines auf Türkisch, droppt aber auch Rio Reiser und bezeichnet sich und ihre Gleichaltrigen als „Fassbinders Kinder“. Düzgün, die in München als Kind von Deutschtürken geboren wurde und nun in Wien lebt, verbindet hier türkische mit deutscher Prägung – legt die Komplexität der doppelten Identität offen. KOMPLEXITÄT ist ein relevantes Album, das vor allem wegen inhaltlicher Aktualität überzeugt, gleichsam aber musikalisch zu oft nach Old School klingt.