Diese gottverdammte Sehnsucht :: Hobalala – Auf der Suche nach João Gilberto

von Marc Fischer

Der ME-Autor sucht in seinem letzten Buch nach dem Herz des Bossa Nova.

Marc Fischer konnte sich leidenschaftlich für Musik begeistern. Unvergessen ist mir ein Abend in den Neunzigern, der von einer wirbelnden Euphorie für die Band Unrest begleitet war. Doch deren Indie-Pop war bald vergessen – keine Ahnung, wie das Fischer ging, aber die Leidenschaft für die melancholischen Klänge des Bossa Nova verankerte sich sicher tiefer in seinem Herzen. So tief, dass er im vergangenen Herbst nach Rio de Janeiro reiste, um dort auf die Suche nach João Gilberto zu gehen, dem bald 80-jährigen Sänger und Gitarristen, der mit seinem fast flüsternden Gesang den brasilianischen Musikstil der späten Fünfziger und frühen Sechziger prägte. Um Gilberto ranken sich viele Gerüchte, die ihn als Eremiten und Exzentriker zeichnen; so soll er sich über Jahre Steak aus einem Restaurant kommen gelassen haben, das der Koch persönlich vor der Tür seines Apartments abstellen musste. Der Reporter macht sich an die Detektivarbeit und sucht Kontakt zu allen, die mit dem Musiker zu tun haben. Immer dabei ist seine Gitarre, auf der Gilberto bei einem eventuellen Treffen seine Komposition „Hô-bá-lá-lá“ spielen soll. Dass es nicht zu dem Treffen kommt, kann man verraten, denn die Schönheit dieses Buches steckt im Weg, nicht im Ziel, genauer: in den Umwegen, Abwegen, Sackgassen der Suche. Das von den Bossa-Nova-Legenden, mit denen der Reporter spricht, heraufbeschworene nostalgische Rio trifft unvermittelt auf das heutige, in dem dieselben Vampirfilme für Aufsehen sorgen wie im Rest der Welt. Was Fischer von Bossa Nova erzählt, vermittelt Wissen um den historischen Kontext und die ästhetischen Neuerungen, doch vor allem geht es um Gefühle. „Die Triebfeder des Bossa: Sehnsucht – nach Liebe, Erlösung, Glück, Transzendenz im Wissen darum, dass es eigentlich naiv ist, all das für möglich zu halten. Die Sehnsucht muss aufhören, damit es geht; und für immer bleiben, damit es geht – so denkt der Bossaist.“ Fischer erlebt die Veröffentlichung seines Buches nicht mehr, er ist im April aus dem Leben geschieden. Es gibt Passagen, die, mit diesem Wissen gelesen, schmerzen. „João ist gefährlich“, sagt ein Zeitgenosse Gilbertos an einer Stelle zum Reporter: „Er verändert die Menschen, die mit ihm zu tun haben. Du wirst vielleicht den Rest deines Lebens verdammt sein.“ Es ist ein wunderbares, durch seine Geschichte tänzelndes Buch, aber es ist auch eines voller Abgründe und Rätsel. Hier hat ein Autor seine Form gefunden, eine Langzeitreportage aus einem zutiefst persönlichen Antrieb heraus. Nur Marc Fischer hatte sie so aufschreiben können. Traurig macht, dass er nie mehr Sätze schreiben wird wie diese: „Noch während ich auf der Suche nach dem Hotel hübsche Studentinnen anspreche, von denen ich hoffe, dass sie ein bisschen Englisch verstehen, verliebe ich mich viermal, aber nur kurz, denn ich bin ja schon in eine Frau in Berlin verliebt.“

Mr. Pink Floyd