Album der Woche

Die Nerven

Fake

Glitterhouse/Indigo

Das neue Album der Stuttgarter zeigt kreativen Abrieb, aber auch Lust an den Extremen. Bleierne Sichtungsversuche zwischen Hardcore, Noise und Kraut-Ballade.

Nachdem jeder, der es wissen wollte, lesen konnte, dass Die Nerven die am miesesten gelaunte Rockband Deutschlands sind, konnten Max Rieger (Gesang, Gitarre), Julian Knoth (Gesang, Bass) und Kevin Kuhn (Schlagzeug) ja kaum etwas Besseres tun, als den scheinbar eingeschlagenen Pfad zu hinterfragen. Oder gleich die Existenz der Band? Die Textzeile „Finde niemals zu dir selbst“ ist so etwas wie das Credo des neuen Albums FAKE. Wie sehr hat die Band der kalte Ekel definiert, aus dem heraus sie ihre musikalischen Meißelarbeiten produzierten?

Die Nerven veröffentlichen Doppelvideo zu „Fake/Frei“
Das Gros der Songs auf FAKE tickt doch etwas anders als ihre Vorgänger auf OUT, drei Jahre mit zahlreichen Konzerten, in einer schultergeklopften Existenz zwischen Theater, Session und Tourbus zeigen kreativen Abrieb. Die Gitarren haben rollen gelernt, sie zischen gedämpft durch einen Song wie „Niemals“. Der Gegenpol: Hardcore, Prog-Metal und ein Schrei („Frei“, „Skandinavisches Design“).

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Die Nerven über Millennials: „Jede Generation versucht sich selbst darzustellen“
Es gibt zwar mehr Verschnaufphasen in diesem zornigen Postpunk-Programm, es gibt allerdings auch mehr Zeilen, die kreuz und quer irritieren: „ich bin angekommen, alles ist egal, triff mich Bahnhofshalle“. Und die zweite Stimme danach: „Opfer“ („Aufgeflogen“). „Roter Sand“ spielt in einem Funk-Labor für Gitarrenexplorationen, musikalisch drei Gänge zurückgeschaltet, textlich ein bleierner Sichtungsversuch: „Weiß leider nicht warum genau, wo ist hier?“ Das finale Stück „Fake“ kommt daher wie eine Krautrock-Ballade: „Was ich heute sage, morgen schon vergessen“.

Es ist nicht an der Zeit, gleich wieder die Stimme einer Generation zu entdecken, die sich machtlos fühlt; man wird sich erst einmal von dieser Musik gefangen nehmen lassen. Dann weiter sehen und hören. Open end.