Der Nino aus Wien
Der Nino aus Wien
Problembär Records/Rough Trade
Austropop, so vielschichtig wie ein Bergwerk: Auf seinem selbstbetitelten Album schlendert Nino Mandl mit uns einmal quer durch sein Universum. Es macht einen Heidenspaß.
Man könnte an vielen Stellen ansetzen, wenn man sich mit dieser wunderbaren Platte beschäftigt. Könnte erzählen, wie in „Jukebox“, dem Bericht aus der Kneipe nebenan, in der es nicht so warm ist wie draußen (der Rauch der Zigaretten vertreibt die Hitze), alles so Kinks-mäßig ragtime-swingt, aber dann doch eher vom Austropop erzählt wird, der in erwähntem Etablissement so läuft, vom Wolfgang Ambros und vom Georg Danzer und der Stefanie Werger, und wie dann alle ins Taxi steigen, das schönste aller Fortbewegungsmittel.
Könnte darüber diskutieren, ob „Bevor Du schläfst“ eher an Pete Dohertys „Albion“ erinnert oder doch an „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis; beides sind zulässige Referenzgrößen. Man könnte auch die Landkarte Wiens auf dem Couchtisch ausbreiten und schauen, wo genau Hirschstetten liegt und wo dieses Ried. Vielleicht sollte man es sich aber etwas einfacher machen und schlichtweg hinhören.
Denn auch, wenn das Wirkprinzip des Nino aus Wien mittlerweile bekannt sein dürfte, treten diese zwölf Songs erneut die Beweisführung an: Mit seinen vielschichtigen, vielgliedrigen, vielsilbigen Songs, mit seinen kleinen, großen Geschichten ist der Nino aus Wien eine enorm wichtige Person im deutschsprachigen Pop geworden: Er verbindet Traditionen der eben genannten Austropop-Größen mit dem auch schon wieder vergessenen New-York-Folk von Jeffrey Lewis und Co und dem Beobachtungsreichtum britischer Kitchen-Sink-Realisten; irgendwie schmeckt auch noch Dylan rein.
Das liest sich jetzt wie ein Krämerladen, aber auf diesem Album tariert er all das perfekt aus, ist mal aus Samt gemacht und mal zuwider wie eine Bürste aus Wildschweinborsten. Diese irre stabile Balance zwischen Grandezza und Krach ist am deutlichsten in der Mitte des Albums zu erkennen. Da folgt auf „Konzert“, einen rasch hingerotzten Boogie über das Live-Spielen, die Klavierballade „Alles passt“.
„Und die Sorgen fallen in den Aschenbecher rein, ein voller Mond springt mir ins Glas“, singt Nino Mandl hier. An ein paar Stellen droppt er ein „Yeah“, als wäre er selbst begeistert ob seiner Worte. Man nimmt es ihm ab, wie man ihm ohnehin alles abnimmt, was er singt. Besser wird deutschsprachiger Pop dieses Jahr nicht mehr, versprochen.
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