Billy Bragg & Joe Henry
Shine A Light – Field Recordings From The Great American Railroad
Cooking Vinyl/Sony
Alte Folk- und Bluessongs über die Eisenbahn, aufgenommen an Haltestellen zwischen den Gleisen.
Die Vereinigten Staaten wären ein perfektes Land für ein Fernzug-Netz. Doch statt in die Eisenbahn zu investieren, steckt man das Geld lieber in Terminals für Inlandflüge, an denen Passagiere heute vier Stunden vor Abflug am Sicherheitscheck sein sollten, sonst verpassen sie den Flug, so lang sind die Schlangen. Dieser Umstand führt das Effizienzargument der Flugverfechter ad absurdum, schlaue Menschen wissen das. Und, bei Gott, Billy Bragg und Joe Henry sind schlaue Kerle.
Der britische Protestsänger hat vor einigen Jahren sein Americana-Herz entdeckt, was seiner Karriere einen kleinen Schub gab. Joe Henry ist als Musiker und Produzent Experte für Vintage-Klänge: digitales Equipment kommt ihm nur ins Studio, wenn es automatisch den Staub saugt. Als Henry vor drei Jahren Braggs Album TOOTH & NAIL produzierte, kamen die beiden auf eine Idee: Züge sind ja nicht irgendein Transportmittel. Wer ein Ticket für die Eisenbahn löst, bucht immer auch Romantik. Es gibt unzählige Lieder über Züge und Zugfahrten, die besten stammen aus den 40er- und 50er-Jahren, als die Eisenbahn die einzige Chance bot, das miefige Heimatkaff zu verlassen.
Für SHINE A LIGHT haben Bragg und Henry 13 dieser Songs ausgesucht, Traditionals, Songs von Woody Guthrie und Hank Williams, Gordon Lightfoot und Jimmie Rodgers. Die beiden Männer haben sich dann tatsächlich mit ihren Gitarren in den Zug von Chicago nach Los Angeles gesetzt, um bei den Stopps, wenn die Süchtigen ihre Kippen zücken, zwischen den Gleisen einen Song einzuspielen. Schönes Konzept, feine Platte. Aber bitte nicht auf Flughäfen nachmachen: Wer die nicht selten blutrünstigen Balladen kurz vorm Sicherheitscheck anstimmt, kann womöglich gleich wieder umkehren.