Album der Woche

BadBadNotGood

IV

Innovative Leisure/Rough Trade

Kosmischer Jazz’n’Postrock mit Raps und dem Sänger der Future Islands: ganz feine Platte.

BadBadNotGood sind Mucker, aber was sie daraus machen, ist unschlagbar. Da gibt es zum Beispiel den Live-Clip mit Sam Herring als Gastsänger: Die Band spielt „Seasons (Waiting On You)“, der Sänger der Future Islands hat den Hit mehrere Hundert mal gesungen, doch weil die Jungs das Stück freischwebend interpretieren, völlig losgelöst von den Strukturen der Rockmusik, lässt sich Herring zu einer außer­ordentlichen Darbietung verleiten: Post-Indie, da haben wir es doch.

Sowieso, Post: Post-Rock, Post-Hop, Post-Jazz – alles Etiketten, die BadBadNotGood aus Kanada schon getragen haben. Das klingt nach einfallsloser Journalistenschreibe, aber dieses Post-Label ist ja kein Beliebiges. Es kennzeichnet, dass sich eine Band auf ein Genre bezieht, die Geschichte kennt – und von dort aus weiterzieht. Das verlangt herausragende handwerkliche Fähigkeiten, weshalb so viele Post-Bands auch Muckerbands sind. So wie eben auch BadBadNotGood.

IV ist streng genommen ihr fünftes Album, zuletzt veröffentlichten sie eine Platte mit Ghostface Killah, die sie außerhalb ihrer Reihe anordneten. Das ist sinnvoll, denn auf IV spielt HipHop nicht mehr die dominante Rolle. Mit „Hyssop Of Love“ gibt es nur ein Stück mit Gast­rapper. Querdenker Mick Jenkins macht hier einen sehr guten Job, wie auch Sam Herring, der sich bei „Time Moves Slow“ erkennbar zurückhält, um die federnde Post-Rock-Atmo des Stücks nicht zu zerstören. Starke Gäste, starke Stücke – doch die eigentliche Party schmeißen die Gastgeber.

Das Cover zeigt vier Schlakse in Badetüchern vor einer Steinwand, die Arme übereinandergelegt, wie Touristen, die sich für ein Gruppenfoto aufstellen. Eitel scheinen sie nicht zu sein. Aber eine Einheit. Das Geheimnis des Jazz ist es, aus Themen und Improvisationen einen Fluss entstehen zu lassen. BadBadNotGood denken weiter: Sie entwickeln ihre Themen so lange, bis daraus echte Songs entstehen. Hat man das als Hörer begriffen, streuen sie kurze Soli ein – bevor der Song selbstbewusst zurückkehrt, als habe er draußen nur kurz eine Kippe geraucht. „Speaking Gently“ ist ein gutes Beispiel für diese Kunst. Das Stück wandelt sich von kosmischer Musik über Freejazz zurück zum Ursprung, Timm Thaler trifft John Coltrane. Man hat diese luftig-leichte Virtuosität zuletzt auf dem exzellenten Album von Floating Points gehört. Bei der elektronischen Spielerei „Lavender“ hilft der kanadische Produzentenkollege Kaytranada, das Stück blubbert und klackert, vibriert und knarzt – kurz: es lebt. Das gilt auch für das Saxofon auf „Chompy’s Paradise“, das klingt, als würde es sprechen. Wenn auch nicht zu jedem: Ein paar Gelegenheitshörer reagierten auf diese Erkenntnis, indem sie auf Loriots sprechenden Hund verwiesen. Ganz klar, diese Leute hören seelenlos. Apropos Soul, wie selbstverständlich Post und Retro im Universum von BadBadNotGood zusammenfinden können, zeigt „In Your Eyes“. Es singt die kanadische Neo-Soul-Sängerin Charlotte Day Wilson, doch die Begriffe Neo und Post lässt die Band an dieser Stelle mal links liegen: „In Your Eyes“ klingt mit seinen quirligen Querflöten und Streichern wie aus Samt so vintage, wie Großvaters Pfeifentabak riecht. Und was macht die Band danach? Setzt mit „Cashmere“ noch eine Creme-Stufe drauf, um das Stück mit einem kurzen Leistungsnachweis in traditionellem Jazz zu beenden.

Kamasi Washington hat mit THE EPIC den Jazz im vergangenen Jahr mit großer Geste aus der Gruft geholt. BadBadNotGood bringen ihn nun raus auf die Wiese.