Alanis Morissette
Such Pretty Forks In The Road
RCA/Sony Music (VÖ: 31.7.)
Isn’t she iconic? Der Megastar spielt ihren Folk-Pop fast so abwegig, als würde sie aufs Konsensradio scheißen – natürlich nur fast.
Ist das nicht ironisch, wenn ein Song, der dir latent egal war, plötzlich einer deiner größten Hits wird, wie geschehen bei Alanis Morissette und ihrem „Ironic“? Nein, nein, nein, überhaupt nicht ironisch, würde die Sprachlehrerfraktion schimpfen, die auch schon humorfrei auseinanderdividiert hat, wie oft Morissette in „Ironic“ Phänomene ironisch nennt, die doch überhaupt nicht ironisch seien.
AmazonIst das nicht ironisch, wenn diese Sprachpedantos Morissette borniert vorhalten, im Kurs zu rhetorischen Stilmitteln nicht richtig aufgepasst zu haben, während an anderer Stelle jeder Scheiß in Pop-Lyrics einfach durchgewunken wird? Und ist das nicht ironisch, dass ausgerechnet die Gitarren-Songwriterin Morissette (die allerdings in Kanada einst mit Dance-Musik durchgestartet ist) ein Musical am New Yorker Broadway macht?
Ironie beiseite (ach nee, war ja gar keine): Krass, wie die Stimme dieser Frau so völlig unverwechselbar allerlei Stunts in den Höhen und Tiefen vollführt, aber nie um zu prahlen, sondern sehr im Sinn der Lyrics. Doppelten Boden gibt’s nicht – oder nur in den Texten oder dann, wenn Morissette ihren analogen Effekt einstellt, der so klingt, wie nur sie es kann, nämlich so, als wäre ihre Stimme zwei Mal da, obwohl man gar nichts getrunken hat. Oder hat man doch getrunken? Morissette trinkt und sie packt darüber aus in „Reasons I Drink“. Wahrscheinlich sollten viele Menschen einen solchen Song einmal in ihrem Leben schreiben, aber ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.
Die reasons, warum man dieses Album hören will: klasse eingespielte Instrumente, selbst das Klavier (die Frau ist eine Gitarren-Frau!) wurde so intim mikrofoniert, wie man es kaum je im Radio-Pop hört. Aber, und da wären wir schon beim zweiten Grund, Morissette wird zwar vom Konsensradio hofiert, aber sie hofiert das Konsensradio nicht – sondern holt hier das Maximum an Indie-Songwritertum raus, das man zurzeit bringen kann, wenn man Broadway-Musical-Megastar auf einem Major-Label ist. Die Melodien gehen freilich direkt ins Ohr, aber von dort will man sie Krass, wie die Stimme dieser Frau so auch so schnell nicht mehr raus haben.