ABC
The Look Of Love II
Virgin/EMI/Universal
Eine der offiziell wichtigsten (Bombast-)Pop-Platten der 80er erhält eine späte und letztlich überflüssige Fortführung.
Die Nerven muss man erst mal haben: Nach 34 Jahren ein Werk fortsetzen, das den Titel THE LEXICON OF LOVE trägt. Als ob die Popmusik in der Zwischenzeit irgendetwas ausgelassen hätte bei diesem Thema. Aber gut, wer wollte die Beweggründe für THE LEXICON OF LOVE II groß inhaltlich diskutieren? Hier ringt jemand um nichts anderes als sein Comeback aus der Bedeutungslosigkeit: Denn Teil 1 des Lexikons gilt bis heute nicht nur als eines der stilprägenden Alben der 80er-Jahre, das ABC-Debüt blieb auch das einzig richtige erfolgreiche Werk der Band um Martin Fry, die heute überhaupt nur noch aus Fry besteht.
Damals, 1981, schnappte sich der gelernte Progrocker und angehende Synthesizer-Bombast-Spezialist Trevor Horn (Frankie Goes To Hollywood u.v.m.) gemeinsam mit seiner Entourage diese junge Band aus Sheffield und verpasste ihr ein Rundumpaket, das man als fix und fertiges Musicaltheater auf die andere Seite der Elbe hätte pflanzen können (oder in ihrem Fall der Don oder Sheaf) – wenn es so etwas damals schon gegeben hätte. Die smarte, sanft ironische, letztlich aber zutiefst romantische Herzschmerz-Revue hatte durchaus ihren Reiz. Doch es wohnt auch eine gewisse Kälte in dieser fehlerfrei ausgemalten Musik, die sich eigentlich ans warme Herz von Pop und Soul fassen wollte.
Was treibt Fry zu einem Russischen Roulette im Auge eines Hurrikans?
Teil II bemüht sich vor allem darum, wiederum die Vorlage von 1982 neu und fehlerfrei auszumalen. Es gab aber auch schon peinlichere Versuche der Selbstkopie im Pop. Die Mühe zum Beispiel, die in das Songwriting und das Arrangement eines fast schon Danny-Elfman-pittoresken Mehrakters wie „The Love Inside The Love“ gesteckt wurde, zahlt sich durchaus aus. Insgesamt haut sich Fry natürlich nicht mehr so rein: Weniger Drama, mehr Abstand, trotzdem kann man ihm abkaufen, dass er auch mit 58 noch zu demonstrieren vermag, „what a fool a man can be“. Was ihn allerdings zu einem Russischen Roulette im Auge eines Hurrikans treibt? („I Believe In Love“) Man weiß es nicht. Und wer hat ihm geraten, Studiomucker und Auftrags-Orchester dort, wo das Geld alle ist, einfach durch Sound-Programming der mittleren 90er zu ersetzen?
Es ist letztlich aber nicht die Ausführung der Aufgabe, die zu kritisieren ist, sondern die Aufgabenstellung selbst: Wer braucht die Kopie einer Musik, die vor 34 Jahren ja schon eine Wiederaufbereitung war von Pop, der damals (wie heute) als irgendwie klassisch und zeitlos wahrgenommen wurde – in einem Sound, der kaum zeitgeistiger sein konnte?