18+

Collect

Houndstooth/Rough Trade

Berührend: Eine aus minimalen Sound­elementen gebaute elektronische Kammermusik, die von Identität im digitalen Dasein erzählt und unsere Körper gefangen nimmt.

Wie das rumpelt! Kommt davon, wenn man das Mikro in den Wind hält oder es während der Aufnahme in den eigenen vier Wänden anfasst. Kennen wir noch von unseren Jugendzimmer-­Recordings. War das doof! Konnte man aber rausschneiden. Samia Mirza und Justin Swinburne haben das Rumpeln gelassen, wo es gespeichert war; im zweiten Track ihres neuen Albums, COLLECT, entspinnt sich aus solch einer nicht genau zu lokalisierenden Aufnahme ein kleines, intimes Singspiel, in dem die Stimmen der beiden Musiker verloren durch ein Stoppelfeld aus Beats wandern, geerdet vom Klang der Saiten, attackiert von elektronischen Störgeräuschen.

„Leaf“, so der Titel des Tracks, macht die Versuchsanordnung von 18+ besonders deutlich; sie zieht sich durch das Gros der 13 Beiträge, die fast alle mit einem einzigen Wort im Titel auskommen, von „Descent“ bis „Slow“. Sie handeln auf mehreren Ebenen von dem schwierigen Kind namens Beziehung im Allgemeinen, von Identität und Interaktion im digitalen Dasein, von Privatheit und Öffentlichkeit ganz speziell. 18+ navigieren wie digitale Bildhauer durch dieses Feld mit minimalen Soundklecksen und gebogenen Geräuschen, abstrahieren R’n’B und rücken seine Elementarteilchen in Nahaufnahme in den Fokus, ganz trocken produziert, Vocals weit vorn.

Am Anfang waren da ein paar quasi­anonyme Mixtapes, dann folgte TRUST (2014), inzwischen gibt das Duo doch genügend von sich preis, um die Bezeichnung „Pop-Act“ nicht mehr ad absurdum führen zu müssen. Wenn Samia in „Glow“ ihren „Rock’n’Rouuul“ zu Fetzen einer Lo‑Fi-Gitarre besingt, ist Elvis nicht weit; das klingt, als hätte man die Sun Studios in eine Blechbüchse gepackt und den „Record“-Knopf gedrückt.

Im Digitalen, so die Botschaft, ist auch der Weg zurück zur Unmittelbarkeit gegeben. Samia sitzt dir gegenüber, singt dir gerade ins Gesicht, Justin ist der B‑Boy nebenan, der nur eine Beatbox und ein paar Töne vom Keyboard braucht, um den Flow zu erwischen. So entsteht eine Art Kammermusik mit den Mitteln der Elektronik, die sich über die Field-Recordings in der Welt da draußen rückversichert. COLLECT ist ein buchstäblich berührendes Album geworden, es schließt uns in seinen Erzählraum ein, bis wir glauben, mit dieser Musik zu atmen.