Rainbirds – Aus dem Regen in die Sonne


Die Flügel waren schnell gestutzt. Kaum hatten die Rainbirds zu ihrem Höhenflug angesetzt, sorgten interne Querelen für den Absturz. Um unter das dunkle Kapital einen demonstrativen Schlußstrich zu ziehen, zog Katharina Franck mit neuer Partnerin ins sonnige Kalifornien. ME/Sounds-Mitarbeiter Helmut Werb besuchte sie im Studio.

Zwei Jahre danach sitzen Katharina und Ulrike im Sunset Sound Studio in Hollywood und basteln an der dritten Rainbirds-Scheibe. die an den Erfolg der alten Vögel möglichst nahtlos anknüpfen soll. Doch die Vergangenheit ist nicht so einfach abzuschütteln: „Ich weiß, daß ich ein bißchen die Rolle der Yoko Ono bekommen habe“, sagt Ulrike. Sie scheint es mit Fassung zu tragen. Knatsch hatte es schließlich schon gegeben, lange bevor Ulrike auftauchte. „Es wurde langsam immer schlimmer“, sagt Katharina bestimmt. Sie konzentriert sich beim Sprechen, um sich nur ja an alles genau zu erinnern. Als ob Erinnerung nötig wäre, als ob nicht alles noch dicht unter der Oberfläche brodelt, der Kampf und der Krampf und der Schmerz.

„Die letzte Tournee war hart. Es gab einige Abende, da hatte ich das Gefühl, daß die Songs, die wir mit Müh und Not auf Platte gebracht hatten, von der Band zerstört wurden.“

Sie erzählt und schaut dabei auf ihre Hände, die auf einem imaginären Mischboard zusammenschieben, was nur sie sehen kann, so als wolle sie mit dem Staub auch die Vergangenheit in übersichtliche kleine Häufchen ordnen. „Die Jungs wollten mehr und mehr Rock ’n Roll machen, und ich mach ja nun mal keinen! Ich wollte nur mein Zeug machen!“ Sie hatte, gibt sie zu, nie das Bedürfnis, die Jungs der Band als Mit-Komponisten und -Schreiber einzubeziehen, selbst in den besten Zeiten nicht. Das Rampenlicht fiel folglich allein auf sie, die Rainbirds waren eben nicht Wolfgang oder Beckmann oder Rodnguez, sondern in letzter Konsequenz Katharina.

Und dann kam Ulrike. Ausgerechnet Beckmann holte sie, über die nachher die Band auseinanderbrechen sollte. „Wir verstanden uns beide auf Anhieb gut — und die anderen standen daneben, gebeutelt von Eifersucht. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf sowas“, erinnert sich Katharina. „Ich hatte eigentlich die Hoffnung, daß, als Ulrike einstieg, die ganze Gruppe zusammenbleibt und sich weiter entwickelt. Das hat nicht funktioniert. Die Jungs hofften, daß zwischen uns beiden der übliche Konkurrenzkampf abläuft, daß sich die Frauen um die Männer streiten. Aber das Gegenteil passierte. Die Jungs konnten da nicht mehr mit.“

Die Enttäuschung über „die Jungs“, wie sie sie nennt, sitzt tief. „Esgibt viele Menschen in der Welt, die mit Erfolg nicht umgehen können. Die einen meinen, sie seien nun Krösus, andere meinen, sie halten das Wissen und die Musikalität mit Löffeln gefressen. Ich mußte mir vorwerfen lassen, daß ich überhaupt nichts mache. Sie hauen alles gemacht, obwohl eigentlich das Gegenteil der Fall war. Ich hatte einfach keine Lust mehr, den Leuten stündig sagen zu müssen, wie toll sie sind, während sie mir gleichzeitig nur die Hölle gaben. Dann eben ganz aus, obwohl mir das schwergefallen ist. Jetzt geht’s viel besser. Jetzt ist alles gleichberechtigt.“

Ulrike drückt’s gerne mathematisch aus: „Während sich Katja und die Band auseinanderdividiert haben, haben wir uns zusammenaddiert.“Auch musikalisch — Ulrikes Einfluß auf Kathannas neue Musik ist nicht zu überhören. Katharina hat mit Ulrike Rhythmus entdeckt. Die neuen Stücke, zum großen Teil von Ulrike geschrieben, haben mehr Dampf, decken stilistisch einen größeren Bereich ab als die der alten Rainbirds. Die neue Scheibe wird gleichberechtigt von beiden produziert, unter der Leitung von Carmen Rizzo, einem alten Schlachtroß der amerikanischen Musikszene.

So sitzen die beiden nun seil vier Monaten in einem leicht abgetakelten Studio in Hollywood und stecken Tausende von Dollars in edlen Hotels ab. In Deutschland, wo sie sich bestimmt ein besseres Studio hätten leisten können, wollen beide nicht mehr. Obwohl die Ernüchterung angesichts des amerikanischen Showbusiness nicht lange auf sich warten ließ. Mit Tracy Chapman-Produzent Kershenbaum gab“s schnell Knatsch, als der nur zur Kohle-Übergabe auftauchte, und dann nie wieder. Und auch die heftig umworbenen Wendy und Lisa ließen die beiden deutschen Fräuleins links liegen. Der Trip zur Musik-Metropolis Ei Lay, wo beim Nennen des Namens Rainbirds keine Schaufel umfällt, wurde tatsächlich zum Neubeginn. Ulrike sieht das natürlich nüchterner: „Ich wollte das nicht so nahtlos machen: Die Band löst sich auf, wir holen neue Leute und machen dann einfach weiten als wäre überhaupt nichts gewesen. Für mich hätte das einfach nicht gestimmt. Katja und die Jungs — das war eine Geschichte, die erst mal von denen verdaut werden mußte. Du kannst ja nicht einfach ’ne Platte auf den Markt scheißen.“

Katja fällt die Antwort schwerer. „Ich wollte raus aus dem kleinen deutschen Kreis.“ Wenn ihr eine Frage nicht paßt, oder wenn sie nicht mehr im Mittelpunkt steht (was in Ulrikes Anwesenheit des öfteren passiert), beginnt sie mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln, aus Langeweile oder verletzter Eitelkeil. „Alles, was mit der Vergangenheit zusammenhängt, war mir zu eng, zu nah. Mit den Leuten, die wir in Deutschland kennen, konnten wir einfach keine Band machen. „

Das Markenzeichen Rainbirds behält sie jedoch bei. so hoch schwebt sie nun auch wieder nicht. Schmerz hin, Schmerz her — wenn ich mich von meinem alten Freund trenne, nenne ich meinen nächsten Liebhaber dann auch noch Karl?

Katja beginnt zu trommeln. „In der Zeil nach dem Bruch dachte ich daran, den Namen zu ändern. Viele Leuten meinten aber, das sei Quatsch. Der Name ist bekannt, den Namen hatte ich mir ausgedacht, das ist wie ein Teil von mir. Warum sollte ich das alles wegschmeißen?“