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.. .und fertig ist das Mondgesicht. Anders gesagt: Muß ein erfolgreicher Musiker automatisch auch ein^^^^ begnadeter Maler sein? Oder ist das, was uns die zahllosen Doppeltäter als Kunst andienen, nichts anderes als amateurhafte Schrebergärtnerei? Walter Dahn, international respektierter Maler und Musiker in Personalunion, nahm sich des Phänomens an – und die malenden Musiker-Kollegen unter die Lupe.

Musik und Malerei — das sind für mich grundsätzlich unterschiedliche Kraftfelder, unterschiedliche Dinge, die sich auch völlig unterschiedlich auswirken. Musik existiert zunächst mal nur in Raum und Zeit. Popmusik hingegen ist überall: im Radio und Fernsehen, auf der Bühne, sie schallt dir aus dem Auto entgegen, das gerade vorbeifährt.

Kunst hat mehr und mehr sehr spezielle Plätze aufgesucht. Früher war Malerei (die ich hier einmal mit „der Kunst“ gleichsetzen möchte) im Grunde nur in den Kirchen anzutreffen. Seit der Renaissance war die Kunst dann bei Leuten zu finden, die man heute Sponsoren nennen würde — bei den Medicis zum Beispiel. Das

Captain Beeflteart

Großartig! Don van Vliel alias Caplain Beefheart (mit inem MM „Bad Chain Puller“, I.). ir beherrscht die Gesetze der Malerei, genau wie er seil „Save As Milk“ die Gesetze des psychedelis«ben Blues beherrscht. Seviel ich welB, hat der Caplgin inzwischen aber mit der Musik völlig aufgehört, weil er vom Musikbusiness die Schnauze voll hat.

hat sich langsam umgeschichtet, in ein Umfeld hinein, das stark bestimmt ist durch Galerien, Kunstvereine, Museen.

Kunst braucht für mich nach wie vor ein Höchstmaß von Ruhe, von Konzentration, von Zeit. Zeit, die man sich nimmt. Kunst braucht nicht den schnellen, einsehbaren, sofort konsumierbaren, tanzbaren Groove, sondern das ruhige Auge, die geradezu „zärtliche“ Annäherung und — darauf aufbauend — auch immer die kritische Distanz. Rock ‚i Roll ist schnell, laut und dreckig, Malerei ist die Sublimierung all dieser Begriffe.

Ich habe immer versucht, mir eines vor Augen zu halten: Wenn es zwischen Kunstwerk und Rezipient eine Nähe gibt oder einen Kreuzungspunkt, dann liegt er in der Person. Vielleicht ist der Kreuzungspunkt da angesiedelt, wo das Herz ist, der Rhythmus. Und der wird von mir mit Leidenschaft betrieben.

Leidenschaft ist ein wesentlicher Begriff, die völlige Hingabe an das jeweilige Medium, an die Gesetze, die dieses Medium im Laufe seiner Geschichte entwickelt hat.

Es gibt in Deutschland diese dumme und völlig unverständlich Tradition von Vorurteilen nach dem Motto: „Man kann nur eine Sache vernünftig machen.“ Es gibt innerhalb der Geschichte der Musik, innerhalb der Geschichte der Kunst, ja genaugenommen in allen Ausdrucksformen der Kunst Hunderte von Beispielen dafür, daß Leute zwei, drei oder noch mehr Sachen gut und hervorragend getan haben. Die gab’s schon Anfang dieses Jahrhunderts und vorher genauso. Nur ein Beispiel: Arnold Schönberg, ein sogenannter ,.E-Musiker“ mit seinen Bildern und Aquarellen, die mehr als nur akzeptabel sind, sondern großartig und bewegend. ¿

Dahn, Maler & Musiker

Joseph Beuys-Schüler Watter Dann war 1980 Mitbegründer der .Mülheimer Freiherr* — einer Gruppe iunger deutscher Maler, die auch international für Furore sorgten. Gleichzeitig war Dahn immer auch als Musiker aktiv, wobei er sich im Laufe der Jahre von der Avantgarde zu einer populäreren Musiksprache entwickelte. Seit 1981 veröffentlicht er Platten unter Projektnamen wie .Die Partei*, .Die Hornissen‘, .The Jewellers‘ und unlängst erschienen – .# 9 Dream*.

Auch auf die Gefahr, bei Meister Bowie ins rettnapfchen zu treten:

«Mb hier Anlehnung an Bekanntes, sicher gut Gemeintes und in den Details auch gut Gekonnte*. Insgesamt ein unsicherer und unklarer Eindruck — oder kommt es Ihm violleicht grade darauf an?

Kitsch: Ron Wood Erinnert mich an dt* Posterabteilung von Karstadt. Ein« oberflächlich« Verkittchtheit, die die Stones auch schon erreich! haben. Wenn ich davon ausgehe, daB Malerei auch immer „Seelenbildnis“ ist, wurde mir all Woods Psychiater angsl und bange werden.

Frisch: Bob Dylan Einfach wunderbar: frisch, absichtslos, unverstellt, die fvlllV KIROIICnV ^™“ lrVOWlWatw“

merkt nicht kindische -Freude. Ein wirklich erfrischender Gegensatz zu den beiden obigen Nostalglkern.

Falsche Naivität: Kevin Coyne Die Arbeiten spiegeln eine Naivität vor, die er längst verloren haben müBte. Weder schlecht noch gut, und das ist traurig. So traurig, wie ich Coyne selbst bei seinem letzten Konzert erlobt habe.

In den sechziger Jahren gab es dann — speziell in England — Heerscharen von Musikern, die aus dem „Artschool-Umfeld“ kamen. Die bekanntesten sind die Beatles, Charlie Watts, die Kinks, später Brian Ferry, die Clash. Mick Jones, der Gitarrist von Clash, sagte: „Ich bin im Grunde immer nur in die Kunstschule gegangen, um am schwarzen Brett nachzuschauen, welche Band einen Gitarristen sucht bzw. um mir einen Bassisten und Schlagzeuger ßr The Clash zu suchen. „

Das beste Beispiel ist Don van Vliet alias Captain Beefheart, der neben der Musik immer gemalt hat. Und vielleicht sind seine schönsten Kunstwerke zu der Zeit entstanden, in der er auch Platten machte. Die Bilder kannte kaum jemand, die tauchten hier und da mal auf einem Cover auf. Im Gegensatz zu den meisten malenden Musikern, deren Verhältnis zur Kunstgeschichte weniger durch Erinnerung als durch borniertes Vergessen gekennzeichnet ist, zeigen Don van Vliets Bilder gerade durch ihr hochkünstlerisches „Scheitern“ ein Bewußtsein dieser unmöglichen, aber dennoch notwendigen Aufgabe jeder echten Kunst: Auf der Leinwand die Dinge zerstören und in der unerträglich „sinnvollen“ Welt das rechteckige Loch öffnen, durch das „das Licht von der anderen Seite“ für einen Augenblick durch die Tür fällt und so der Arsch der Welt sichtbar wird. Inzwischen hat es sich bei Don van Vliet völlig gedreht — er malt jetzt nur noch. Er hat von der Musik, vor allem aber vom Musik-Business die Schnauze voll.

Ein weiteres Beispiel, wie sich Musik und Kunst gegenseitig ergänzt haben, sind der Pop und die Popart: Das klassische Beispiel ist Andy Warhol und Velvet Underground, die Warhol bei sich in der Factory, seinem Atelier, proben ließ. Er war Mit-Produzent der ersten LP und gestaltete das Cover mit der Banane. Dann organisierte er Auftritte im „Dome“, in „Max’s Kansas City“, er ließ Underground-Poeten auftreten und projizierte seine Filme und Dias über die Band. Da gab es die Verbindung von Musik und anderen Kunstformen in einer sehr überzeugenden Form, die natürlich getragen wurde von der Zeitstimmung und den Impulsen der 60er Jahre.

Daß Dinge, mit denen eine Band sich präsentiert — sprich Cover, Poster oder T-Shirts —, von moderner Kunst beeinflußt sind, versteht sich heute fast schon von selbst. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß sich große wie kleine Bands Fotografen oder Filmemacher ranholen, wenn’s um Musik-Videos geht. Wenn sie nicht sogar an diesem Punkt zu ihren eigenen Wurzeln zurückgehen und sagen: Das können wir genausogut selber machen! (Was im übrigen auch für Helmut Zerlett und mich bei unserem Musik-Projekt „# 9 Dream“ gilt: Ich hab in der Zwischenzeit drei Videos für die Band gemacht.) Eigentlich ist es traurig, daß uns ¿ diese Beispiele fast immer von außen, sprich von Amerika und England vorgeführt werden. Dort wird es nicht als Widerspruch empfunden, wenn David Bowie in einem Film auftritt. In Deutschland haben selbst Stadionfüller wie Müller-Westernhagen mit dem Vorurteil zu kämpfen: „Was bist du denn jetzt — Schauspieler oder Sänger?“ Als ob es nicht genug Beispiele dafür gäbe, daß man beides machen kann. Ich glaube, daß man in Deutschland unbeirrbar Kontinuität demonstrieren muß: Die Leute sind hier eher zu überzeugen, wenn man etwas durchhält, wenn man verschiedene Dinge jeden Tag macht. Dann wird, glaube ich, auch hier im Laufe der Zeit das „Entweder-Oder“ ersetzt werden durch „Sowohl-als-auch u .

Ich selbst habe gezeichnet, seit ich denken kann. Einigermaßen ernsthaft Musik mache ich seit Ende der siebziger Jahre. Erst in letzter Zeit scheinen sich die beiden Pole bei mir anzunähern, wenn nicht gar zu durchdringen. Was nicht heißt, daß ich hingehe und versuche, Musik zu malen, also vordergründig illustrativ zu sein. Das wäre ein Irrweg. Was auch nicht heißt, daß die Musik in irgendeiner Form die Verlängerung der Bilder sein könnte oder irgendeine schale Multimedia-Konstruktion.

Der Anspruch, den unser Plattenprojekt „# 9 Dream“ erhebt, ist der, aus den besten Momenten ¿

Eine Wohltut! Ich kenne dai Bild seit Jahren – et ilt dai Cover ihre* fantaftiichen „Mlngui“-Albumi. Mitchell hat wirklich etwai begriffen nicht nur von Musik, auch von Malerei. Wie sagte doch Prince: »Ich habe von ihr unheimlich viel Ober Farben gelernt!“

Sexistisch: Herman Brood Mose Art des Malens wirkt auf mich wie vieles, was um 1980 von den sogenannten „Neuen Wilden“ gemalt wurde. Habe ich alles schon mal aufregender, genauer und überzeugender gesehen. Dieses Frauenbild scheint mir zudem von ebenso dummen wie sexistischen Klischees besetzt xu sein.

Brav: Mellencamp Erinnert mich an den Kollagen Werner BüHner. Ein wenig spannungivoller Stil, weil olle Figuren, Gegenstände und Hintergründe gleich bebandelt werden. Hier haben wir ei mit etwa* „gut Gemeintem“ zu tun — woi stets dai Gegenteil von Kumt iil.

Platt: Niedecken Genauso plakativ wie seine Texte! Und dann entblödet sich Niedecken nicht mal, durch eine eingeklebte Zeitungsnotiz über die Befreiung Mandelas auch noch den allerletzten .Vollidioten“ mH der Nase auf „die Message“ zu stoBen.

des Rock „n Roll zu lernen und diese Tradition in die Gegenwart fortzusetzen. Die besten Momente sind für mich die, wo eine vorgegebene Form — ein Blues, ein Rock „n“ Roll-Schema — übernommen wird und mit ganz neuen Inhalten gefüllt wird.

Ähnliches passierte irgendwann Anfang der 60er Jahre — und die ausschlaggebende Person in diesem Zusammenhang muß wohl Bob Dylan sein. Der ging hin und nahm Strukturen, die Elvis, Little Richard, die Folk Tradition und der Talking Blues entwickelt hatten, und füllte sie mit neuen Inhalten. Er bezog sich konkret auf die geschichtliche, auf die persönliche, auf die politische Situation, in der er sich befand. Dylan nahm nur die Struktur und veränderte sie. Er sagte nicht wie Elvis „awoopbobaloobobalopbamboom“, sondern „Mamas in the basement, cookin‘ up the medicine, Im on the pavement, Lookin‘ for the government …“ Das war der wesentliche Schritt, die Innovation. Da taucht der Begriff der Neuschöpfung auf, wie man ihn auch in der Kunst kennt. Und diese Punkte innerhalb des Rock ’n‘ Roll sind für mich immer wieder Punkte gewesen, wo ich mit Begeisterung reagiert habe, wo ich Fan war. bedingungslos — Bob Dylan, Byrds, Velvet Underground, Vanilla Fudge, Jimi Hendrix, Cream.

Dann kamen die 70er mit David Bowie, Roxy Music und Lou Reed. Und das wiederum bereitete 76/ 77 eine Situation vor, wo ich mich zum erstenmal als Teil einer Bewegung fühlte: Es entstand, was man „Punk“ nannte, später — in Ermangelung eines besseren Begriffes — „New Wave“ und in Deutschland „Neue Deutsche Welle“.

Die Punkbewegung ermöglichte einen Umgang mit dem Medium Musik, das plötzlich völlig unverstellt war von überhöhten Ansprüchen, sondern geprägt war von der Realität, dem Alltag. Und unverstellt war von Ansprüchen, wie sie sich Anfang bis Mitte der 70er entwickelt hatten durch Supergruppen wie Emerson, Lake und Palmer, Yes oder Genesis. Gruppen, die ich immer gehaßt habe. Mit dem Erscheinen der Punk-Bewegung hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, so Musik machen zu können, wie ich auch malte. Ein Konzert hatte jetzt oft mehr von einer öffentlichen Probe und nichts mehr von diesem Superbombast, den keiner mehr ertragen konnte.

Irgendwann Ende der 70er hab ich dann selber angefangen, mit Freunden Platten aufzunehmen und sie durch kleine alternative Vertriebe unter die Leute zu bringen. Das Projekt “ # 9 Dream“ existiert seit Ende „89, und man hat das Gefühl, daß man mit jedem Stück, das man aufnimmt, einen kleinen Schritt weiterkommt. In einem Interview haben wir damals gesagt: „Wir sind jetzt so gut wie Captain Beeßeart als Maler. „

Auf diesem Weg gibt es — genauso wie auf dem Weg der Malerei — natürlich kein Zurück. Wenn wir Stücke covern, gehen wir gnadenlos wie Jazzer vor: Wir liefern keine clever nachgespielten Versionen ab, sondern interpretieren. Interpretieren notfalls bis zur Unkenntlichkeit. Mein Beispiel ist da immer Coltrane, so wie er „Nancy With The Laughing Face“ spielte. Und dieser Weg wird auch in Zukunft sicher noch radikaler. Radikaler, Radix, die Wurzel. Wir wollen weiter runter an die Wurzel. Wir wollen deutlicher werden! Genauso wie ich alleine im Atelier als Maler nach deutlichen „Zeichen“ suche. Ich sage bewußt Zeichen und nicht Symbol. Ich suche die Zeichen, von denen ich mir wünsche, daß sie auf der ganzen Welt gelesen werden können …

Für mich ist das Maß, das ich mir vorgebe, zunächst einmal Fanhaltung (die ich mir beibehalten möchte) und Begeisterung — in dem Wort ist ja auch „Geist“ enthalten, darauf leg ich viel Wert. Auf die Einsicht, daß man wirklich jeden Tag seine Pflicht zu erfüllen hat! Tagesformen können unterschiedlich sein, aber ich versuche die verschiedenen Dinge so gut zu tun, wie ich eben kann und mich da auch nicht zu schonen. Ich hab immer das Gefühl, die Zeit reicht kaum aus, um all das zu sagen, was man eigentlich sagen möchte.

Und wenn man so etwas hat wie ein Thema oder einen Inhalt, dann ist es ein ungeheuer spannender Vorgang, dieses Thema dann mit den verschiedensten Medien zu umkreisen …