Prince, der Sexy Motherfucker!
Zum Tod von Prince: Unser ME-Helden-Geschichte über den „sexy motherfucker“ aus dem April 2014 in voller Länge.
Man hörte den Alben nach „SIGN O’ THE TIMES“ an, dass Prince in seiner eigenen Welt lebte; sein Koordinatensystem sprenge er nur noch selten. Der Funk wurde manchmal noch heißer, der Pop glatter, der Rock opulenter. Aber so verwirrend schillernd wie früher klang er nur noch selten. Dafür begann der Wahnsinn mit dem Namen: 1993 begann die Sache mit dem Symbol. Schöne alte Prä-Internetzeit: Seine Plattenfirma Warner – gegen deren Sklaverei-Mentalität der Künstler wetterte – musste eine riesige Auflage von Disketten produzieren, um das nicht nur unaussprechbare, sondern auch nicht druckbare Symbol darauf zu kopieren und an die Zeitungen und Magazine zu schicken.
Komplizierter Sex
Um seine Vertragspflichten zu erfüllen, haute Prince zudem zwei richtig schlappe Platten raus: „COME“ und „CHAOS & DISORDER“; seine künstlerische Freiheit feierte er schließlich 1996 mit „EMANCIPATION“, einem Dreistundenalbum auf drei CDs. Kurz gesagt: Es gab einfach zu viel Musik von Prince, zudem wurde der thematische Überbau immer obskurer. Um Sex ging es zwar noch immer. Aber der war mittlerweile sehr kompliziert.
Seit einigen Jahren sind es nicht mehr die Alben, die Prince im Gespräch halten, sondern die sonderbaren und bemerkenswerten Ereignisse. Seit 2001 ist Prince Mitglied bei den Zeugen Jehovas; überreden ließ er sich vom Bassisten Larry Graham, der sogar behauptet, Prince zöge mit ihm in Minneapolis von Haus zu Haus, um mit den Menschen über den Glauben zu reden und Kopien vom Watchtower zu verteilen. 2007 lies Prince das Album „PLANET EARTH“ in Großbritannien umsonst der Zeitung Mail On Sunday beilegen; 2010 wiederholte er die Aktion mit der Platte „20TEN“ , die in Deutschland mit dem Rolling Stone zu haben war. Es war sein bisher letztes Album – und auch, wenn er für die nahe Zukunft eine neue Platte angekündigt hat, scheint er die Lust an der CD verloren zu haben.
Stattdessen schwört er eben wieder einmal auf das Internet: Zuerst über seinen Twitter-Acount veröffentliche Prince im Sommer die Single „Breakfast Can Wait“, eine Milch-und-Honig-Fantasie, aber ordentlich funky. Die eigentliche Sensation war jedoch das Cover: US-Comedian David Chappelle serviert in seiner berühmten Prince-Verkleidung Pancakes; begleitet wurde die Veröffentlichung mit einer Pyjama-Party in Paisley Park, Eintritt 50 Dollar.
Nummern fürs Weißbrotradio
Selbstironie! Tweets! Pyjama-Partys! Für Überraschungen ist Prince weiterhin gut. Und für grandiose Live-Konzerte sowieso. Wenn er denn Lust hat. Beim letzten Konzert in Deutschland im Sommer 2011 in Köln verließ Prince die Bühne nach einem Song, weil er mit dem Sound nicht zufrieden war. Knapp Stunde später kam er wieder – und es klang immer noch grässlich. Öffentlich beschimpfte er seinen Soundmann und machte nach einer weiteren Stunde endgültig Schluss. Viele vermuteten wohl zu Recht, dass die Afterparty deutlich länger ging. Egal was noch kommt: Was bleiben wird, ist Prince im Radio. Gerade jetzt wieder, „Alphabet Street“ auf BBC6 zwischen einer Live-Session von Toy und dem James-Murphy-Remis von David Bowies „Love Is Lost“.
Angenommen, Prince vergisst mal für zehn Sekunden den ganzen Pomp: die Farbe Lila, den ganzen Sexkram – und vielleicht sogar die drei um ihn herumschwirrenden Musen. Vielleicht ist der Mann dann ein glücklicher Musiker, der sich freut, dass seine Nummern noch immer so blendend funktionieren. Und zwar nicht nur auf Kiss FM. Sondern auch im Weißbrotradio.