Konzertbericht

Paula Hartmann live beim Berliner Benefizkonzert: „Ich glaube an Wunder!“


Mit ihrem Gig sammelte sie Spenden fürs Elisabethstift, präsentierte zwei neue Songs und auch viel Schwermut.

Eine Schlange aufgeregter Menschen windet sich um die grüne Insel vor dem Nåpoleon Komplex in Berlin, wo Paula Hartmanns Benefizkonzert am 5. September stattfinden soll. Die hohen Baumkronen schützen vor der unerwarteten Spätsommer-Sonne. Ein älterer Mann, der auf dem Fahrrad vorbeifährt, versucht sich seine Bahn mit dem Ausruf „Scheiß Studenten hier alle!“ freizumachen. In gewisser Hinsicht behält er Recht. Die eintönige Ansammlung von Fans besteht fast ausschließlich aus Menschen in ihren Zwanzigern. Alle folgten der kurzfristigen Social-Media-Ankündigung der Sängerin. Alle fragen sich, ob sie es noch durch den Eingang schaffen oder ob der Einlass vor ihnen stoppt. Tickets gab es im Voraus keine zu kaufen. Spoiler: Jeder der etwa 1.300 Menschen hat es in den St. Helenå Kulturbiergarten des Komplexes geschafft und konnte etwas in die Spendendose der Veranstaltung werfen.

Für Couch & Küche

Mit einem Mindestbetrag von zehn Euro pro Person, wurde so ein Minimum von 13.000 Euro erreicht. Vermutlich sogar um einiges mehr. Alle Einnahmen des Benefizkonzerts kamen der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Elisabethstift zugute. „Die Kinder können endlich mal wieder Urlaub in einem Freizeitpark machen. Es wird eine neue Couch rausspringen und vermutlich sogar eine neue Küche“, verkündet Paula Hartmann genauso stolz wie gerührt. Jubelnder Applaus folgt. Die Kinder des Heims sind alle anwesend. Sie winken Paula energisch zu und begrüßen sie im Chor mit einem lauten „Hallo“. Man spürt die Freude und ihre Aufregung zugleich.

Das Konzert wirkt in dem Außenbereich des Veranstaltungsortes wie ein Hoffest unter Freund:innen. Alle kommen zusammen, um für den guten Zweck zu feiern – aber irgendwie auch um den Sommer zu verabschieden. Bunte Wimpel- und Lichterketten schmücken die Bars, die unter den Vordächern der ehemaligen Werkstatthallen Aperol Spritz und Weinschorle ausschenken. Hinter ihnen gleist die Berliner S-Bahn über die Schienen. Die Bühne türmt am hinteren Ende des Innenhofs auf einem schwarzen Container. Bevor Paula Hartmann sie selbst betritt, wird die Stage von einigen ihrer Freund:innen bespielt, die die Musikerin eingeladen hat, um sie an diesem Abend zu unterstützen.

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Unter Freund:innen

Beim Einlass beruhigt die Berliner Sängerin Ceren mit ihrer sanften Stimme die wuselige Stimmung, die dem Ankommen an Ort und Stelle innewohnt. Der Musiker FRISO löst sie ab. Der Hamburger ist sowieso bei allen Live-Shows von Hartmann mit von der Partie, diesmal präsentiert er seine eigenen Tracks. Beide Artists experimentieren dabei sowohl mit englischen als auch deutschen Texten. Das elektronische Kollektiv Orbit begleitet die Zuschauer:innen letztendlich in den Sonnenuntergang. Den hellblauen Himmel durchziehen rosa Wolken, bis sie zu einem sanften Lila verschmelzen. Orbits hypnotisierende Töne lassen die Spannung auf den anstehenden Haupt-Act steigen.

Paula ist sprachlos

Ein tiefer Bass ertönt und dichter künstlicher Nebel umhüllt die Bühne. Man hört Paula Hartmann bevor man sie sieht. Sie begrüßt Berlin mit ihrem zweiteiligen Song „Fahr uns nach Hause“. Die Charlottenburgerin trägt eine übergroße Bomberjacke. Ihr blondes Haar ist zu einem strengen Zopf zurückgebunden. Die originale Liedzeile „Ich glaube nicht mehr an Wunder“ übertönt die Sängerin mit dem positiven Gegenstück „Ich glaube an Wunder!“. Was sie wirklich an diesem Abend tut, wie die Sängerin zwischen den Tracks erzählt. Der Fakt, dass dieser Gig zugunsten der Elisabethstift so spontan auf die Beine gestellt wurde, mache sie regelrecht sprachlos.

Mit dem nächsten Song holt die Künstlerin das ganze Publikum ab. Alle schreien die Lyrics zu „Nie verliebt“ in die Dunkelheit. Hartmann springt auf der schmalen Bühne umher und reißt ihre Fans mit. Die Scheinwerfer hüllen die Menge in ein grellrotes Licht, bis sie sich zu dem Track „Babyblau“ entsprechend umfärben. Paula spielt nicht nur ihr zuletzt erschienenes Feature „Gekreuzte Finger“ – das auf Trettmanns, Kitschkriegs und SFRs Album INSOMNIA erschien –, sondern präsentiert auch zwei unveröffentlichte Stücke, wovon ein Song noch diesen September erscheinen soll. Es wird die erste eigene Veröffentlichung seit ihrem 2022er Album NIE VERLIEBT sein.

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Die Orientierungslosigkeit einer Generation

Mit ihrem Song „Veuve“ leitet Paula Hartmann eine gewisse Schwermut ein, die sich durch die letzten Lieder des Auftritts ziehen wird. Besagter Song ist ihr persönlicher Lieblingstrack des Debütalbums, wie die Musikerin erklärt. So singt sie die Lyrics „Fühl mich wie Leitungswasser in ’nem teuren Glas“ und „Ausgebrannt, aber für Burnout keine Kraft“ mit einem verletzten Brechen in der Stimme. „Mir ging es nie schlechter als dieses Jahr. Ich dachte nicht, dass ich um diese Jahreszeit noch hier ein Benefizkonzert geben könnte“, legt die Berlinerin zwischen ihren Liedern offen. Das Zittern ihrer Stimme bemerkt man nur schwach, während sie erklärt, wie wichtig Therapie für sie gewesen sei, um aus diesem Loch herauszukommen. Sie fordert die Menschen, die sich mit ihren Worten identifizieren können, dazu auf, sich Hilfe zu suchen, wenn sie denn welche benötigen. Der 22-Jährigen ist die Wichtigkeit dieses Themas angesichts ihrem etwa gleichaltrigen Publikum bewusst. Nicht umsonst verkörpert die Pop-Künstlerin auch die Orientierungslosigkeit ihrer Generation.

Paula kündigt den abschließenden Song des Abends an. Als die Kinder der Elisabethstift kurz davor gehen müssen, werden sie mit lautem Beifall verabschiedet. Man hört sie noch in der Ferne den Vornamen der Sängerin grölen, während die Töne des finalen Songs „Truman Show Boot“ verklingen. Mit Dank, Handkuss und Winken verschwindet Paula Hartmann genauso schnell im Nebel, wie sie aufgetaucht ist.

Hört hier Paula Hartmanns Debütalbum:
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