Our Choice – Deutsche Künstler braucht das Land
Seit einiger Zeit ist Land in Sicht. Land für alle die, die sich von den Trendvorschriften freimachen wollen, die mit schöner Regelmäßigkeit aus den USA und England diktiert und dann bereitwillig importiert werden. Eine Chance für „neues Hören“, für eine selbständige Sichtweise. Ein deutsches Label mit Perspektiven, ohne den beständigen Drang immer nur „trendy“ und „up to date“ sein zu wollen bzw. zu müssen. Der Name des Labels: OUR Choice. Dieses hauseigene Rough Trade-Label existiert schon seit 1983, ist aber eigentlich erst seit Anfang ’90 so richtig aktiv. Es ist ausschließlich deutschen Musikern vorbehalten und gilt als Plattform für die verschiedensten Spielarten neuer deutscher Musik. Lange schon kann man die Frage nach guten deutschen Bands nicht mehr nur mit Kraftwerk oder Philip Boa beantworten. Unter dem Motto „auf zu neuen Ufern“ gibt es zahlreiche, interessante, deutsche Acts, die mehr verdient haben, als nur mit der Phrase „na ja, ganz nett für eine deutsche Band“ belanglos abgefertigt zu werden. Die letztjährige Popkomm, Deutschlands größte Musikmesse in Köln, startete die Phase der aktiven Öffentlichkeitsarbeit von Our Choice mit einem „Knall“. Auf einem (übrigens vom ME/Sounds präsentierten) Showcase im traditionsreichen Stollwerk machte das Label zum ersten Mal von sich reden. Live dabei waren The Fair Sex, Goth/Dancetruppe aus dem Ruhrgebiet, die Nürnberger Shiny Gnomes, der Essener Tom Mega mit seiner Band und die Formation Pink Tums Blue. Aufgrund des großen Erfolgs dieser Party plant Our Choice auch in diesem Jahr wieder eine Veranstaltung – wieder in Köln und wieder präsentiert vom ME/Sounds. Am 17.05.92 wird im E-Werk das zweite OUR Choice-Festival stattfinden. Mit diesen Bands wird es rund gehen. Oil on Canvas, neues Signing auf Our Choice und so etwas wie die Newcomer-Hoffnung des Labels. Pop meets Folk meets … Oper. Ja, richtig gelesen: Oper. Denn die 5 Mühlheimer haben keine Angst vor großen Gefühlen, sie lassen verschiedenste Stile gleichberechtigt nebeneinander existieren. Und Oil On Canvas ist live einfach ein Gedicht. Die Space Cowboys aus Berlin laden uns ein zu einer Reise durch Raum und Zeit, und bringen Raps, Gotarrenritfs und heiße Soulrhythmen mit. Die Erde bebt, die Wände wackeln, Speed-Soul, Metal, Punk und Hip Hop bringen die Reise in Fahrt. „Halts Maul Deutschland“ brüllt da doch jemand auf der Bühne, es sind die rotzfrechen Berliner Skeptiker, die mit engagierten Texten und agressiver Punk-Rockmusik Gas geben, es ist voll die „Sauerei“. Nein, nicht so heißt das aktuelle Album. Gitarren-Pop mit moderner Psychodelia, mal beschwingt, mal mit sägender Härte, präsentieren die Nürnberger Shiny Gnomes jetzt ohne Keyboards und mit Härtegrad 10. Zum großen Finish lädt dann das Caspar Brötzmann Massaker ein. Brötzmann zeigt unzählige neue Möglichkeiten der Klangerzeugung, die durch den expressiv-experimentellen Gebrauch der Gitarre nicht nur zum headbangen animieren. Avantgarde meets Hendrix. Also, wie man liest, ein „Bunter Abend“, bunt wie die Palette der Neuerscheinungen, die wir in diesem Jahr noch von Our Choice erwarten können. Es folgen Alben von: Donna Regina (Pop mit englischer Intensität und leichtem, luftigen, französischem Charme), Tom Mega (der singt jetzt deutsch), von den Krupps (die haben schon immer deutsch gesungen und musizieren jetzt auch mit den Speed-Metallern von Accuser), sowie von Oil On Canvas. Außerdem kommt neues Material von FM Einheit, von The Fair Sex, Pink Turns Blue und von den Einstürzenden Neubauten. Außerdem sind die Skeptiker und die Eight Dayz zur Zeit im Studio.
Fazit: Deutsche Künstler kriegt das Land. Und zwar richtig.