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„No Future“: Warum Vivienne Westwood für immer Punk bleibt


Sicherheitsnadeln am Totenhemd: Wie Vivienne Westwood die Mode auf ewig prägt. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves.

Die Nachrufe sind längst alle veröffentlicht, I know. Was aber noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, ist die morbide Grazie, mit der sich Vivienne Westwood (8. April 1941 – 29. Dezember 2022) aus ihrem Leben verabschiedete. Man schaue sich bitte im YouTube-Kanal der „Vivienne Westwood Foundation“ die fünfminütige Video-Botschaft an, die die Mode- und Punk-Ikone kurz vor ihrem Tod von ihrem Bruder Gordon aufnehmen ließ.

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Sie wurde zur UN-Klimakonferenz COP 27 im November hochgeladen. Es ist Westwoods letztes Video. Man sieht, wie die 81-Jährige schon deutlich geschwächt in ihrem Bett sitzt, aufgerichtet und gestützt von weißen Kissen. Sie liest ihre Botschaft ab, langsam, stark. Sie geißelt den Kapitalismus für seine desaströse Umweltbilanz – das tat sie in den vergangenen Jahren ja immer wieder. Er bringe „short term cash in exchange for no future“, sagt sie, und die Anspielung auf den Punk-Slogan „No Future“ aus „God Save The Queen“ der Sex Pistols ist sicher beabsichtigt.

Sinnbild der Vergänglichkeit

Dazu trägt sie ein krasses Outfit, nämlich ein breitschultriges Nachthemd, das genauso ein Leichenhemd sein könnte. Es ist vorne mit einem Porträtfoto von ihr bedruckt, auf dem sie ein Totenkopf-Make-up trägt. Das Video ist quasi ein Vanitas-Stillleben mit der doppelten Westwood. Oben warnt sie, dem Tod nah, vor der Klima-Apokalypse, weiter unten grinst sie, als Sinnbild der Vergänglichkeit, dem eigenen Ende entgegen, nach dem Motto: „Ich scheiß auf mein Ableben, zum Glück muss ich die Katastrophen der Zukunft nicht mehr erleben, und mein modisches Vermächtnis ist eh unvergänglich.“

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Was für eine Wahnsinns-Punk-Geste dieses Video ist! Wer genau hinsieht, erkennt sogar, dass Westwoods Totenhemd an den Schultern von Sicherheitsnadeln zusammengehalten wird. Sicherheitsnadeln! Sicher, es gibt auch Punk-Historiker, die daran erinnern, dass Richard Hell 1974 in New York angeblich der Erste war, der seine zerrissenen Outfits mit Nadeln zusammenpinnte, sodass Malcolm McLaren und Westwood im Team diesen Look in London nicht mehr erfinden, sondern mit den Sex Pistols und ihrem „Sex“-Shop nur popularisieren mussten.

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Aber mal ehrlich, ohne Westwood würde man heute beim Anblick von Sicherheitsnadeln garantiert nicht sofort an Punk und seinen speziellen Mix aus Kaputt-ist-schön, Mir-doch-wurscht und Darfs-auch-ein-bisschen-wehtun? denken. Heute wimmelt es in der Mode wieder nur so von Sicherheitsnadeln, Metallösen, Reißverschlüssen und Bondage-Anspielungen (siehe nebenan). Es gehört zu ihrem Vermächtnis.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 03/2023.