Nick Cave: So erklärt er seine Vorliebe für Kanye Wests Musik

Nick Cave ist auf der Suche nach Schönheit, kann Kunst und Künstler jedoch trotzdem nicht trennen.


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Nick Cave ist ein Fan von Kanye Wests Songs. Nach erneuten problematischen Aussagen des Rappers verteidigte der Musiker seine Vorliebe – fand jedoch auch klare Worte für Wests Antisemitismus.

Kunst und Künstler trennen?

Das Timing war mehr als unglücklich: Erst Ende Januar gab Nick Cave an, einen Song von Kanye West auf seiner Beerdigung haben zu wollen, und knapp anderthalb Wochen später fiel dieser mit Hitler-Liebeserklärungen und Hakenkreuz-Shirt auf. Der australische Singer-Songwriter meldete sich also nochmal zurück, um seine musikalischen Vorlieben einzuordnen. In einem weiteren Q&A auf seiner Webseite „The Red Hand Files“ beantwortete er in Briefform die Frage eines deutschen Fans zu den kontroversen Umständen. „Ich bemühe mich, Schönheit zu finden, wann immer sie sich zeigt“, so Nick Cave.

Der Musiker gab an, dass bereits viele Fragen zum Sachverhalt eingetrudelt wären. Kanye Wests Verhalten verwerflich zu finden, beschrieb der Nick Cave in seiner Antwort als „gemeinsame Grundlage“. Sein umfangreicher Text kam jedoch auf Kritik vieler Fans zurück, er trenne Kunst vom Künstler – ein Thema, über das Cave schon einmal geschrieben hatte. „Das tue ich nicht“, stellte er klar. „Die Vorstellung, ein Künstler sei von seiner Kunst getrennt, ist absurd. Ein Künstler und seine Kunst sind grundlegend miteinander verwoben, denn Kunst ist das Wesen des Künstlers, das zum Ausdruck kommt. Das Werk des Künstlers verkündet: ‚Das bin ich. Ich bin hier. Das ist es, was ich bin.‘“

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Nick Cave über die Entstehung von Kunst

Seine Vorliebe für Kanye West ordnete er wie folgt ein: „Das große Geschenk der Kunst ist jedoch das Potenzial des Künstlers, sein inneres Chaos auszugraben und es in etwas Erhabenes zu verwandeln. Das ist es, was Kanye tut. Das ist es, was ich anstrebe, und das ist die Aufgabe aller echten Künstler. Der bemerkenswerte Nutzen der Kunst liegt in ihrer Kühnheit, unseren verdorbenen Zustand zu verklären und etwas Schönes zu schaffen.“ Für Kanye Wests Haltung fand Nick Cave in seinem offenen Brief deutliche Worte: Er bezeichnete die Äußerungen des Rappers als „verabscheuungswürdig und enttäuschend“, seinen Antisemitismus hervorgehoben als „widerwärtig“. Dennoch: „Dabei widerstrebt es mir, das Beste von uns zu entwerten, um das Schlechteste zu bestrafen. Ich glaube nicht, dass wir uns diesen Luxus leisten können.“

Kanye West als Musterbeispiel für kaputte Künstler

Zur weiteren Erklärung verwies Nick Cave auf seinen eigenen Songwritingprozess sowie auf das menschliche Wesen. „Wenn ich ein Lied schreibe, schöpfe ich nicht aus einer Tasche der Reinheit, die vom Rest von mir isoliert ist; ein Lied wird aus mir herausgerissen, aus dem Chaos von mir, und wird das Beste von mir auf seiner alchemistischen Reise zu seiner Verwirklichung. Dies ist die eigentliche Definition von Hoffnung – dass wir nicht Gefangene unserer fehlerhaften Natur sind, sondern sie überwinden können“, so Cave auf seine übliche wortgewandte Art. Die Möglichkeit dazu finde er in der Kunst.

„Wir sind alle gebrochene, fehlerhafte und leidende Menschen, jeder für sich eine Katastrophe, jeder mit der Fähigkeit, großen Schaden anzurichten, jeder voller fehlgeleiteter Vorstellungen, von denen die vielleicht verrückteste der Glaube ist, dass wir irgendwie exklusiv und moralisch allen anderen überlegen sind“, heißt es weiter. Menschen, so Nick Cave, seien unter bestimmten Umständen zu allem fähig. Dabei schlummere in ihnen jedoch auch großes Potential. In diesen Gegensätzen findet sich auch seine Sicht auf Kanye West: „In seiner Gebrochenheit ist Kanye ein Musterbeispiel par excellence für diesen Gedanken, den geflochtenen Tanz zwischen Sünde, Transzendenz und Genialität.“

Kanye West: „Ich bin ein Nazi“

Nick Cave äußerte sich bereits mehrfach lobend über Kanye Wests Musik, vornehmlich den Song „I Am God“. Seine Bewunderung für den anderen Musiker ordnete er immer wieder ein auf seinem Blog. Ye fällt seit Jahren öffentlich mit antisemitischen Äußerungen auf. Zuletzt verkaufte er Merchandise mit Nazi-Symbolik darauf, verkündete öffentlich unter anderem „Ich bin ein Nazi“ und „Hitler war sooooo fresh“.