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von Michael Sailer Nicht mehr "ganz die Alten", auch nicht mehr ganz neu - eine kleine Bestandsaufnahme von kuriosen und anderen Frühlingsfolgen.

Der Frühling kommt und geht so unausweichlich wie die alljährlichen „Durchstarter“, mit denen die Musikindustrie das schreibende und das kaufende Volk hinter dem Winterofen hervorzulocken versucht. Mit stetig schwindendem Erfolg, wie auch jene wissen, die nicht der These anhängen, alle Musik, die es brauche, sei bereits aufgenommen. Das glaubte bis kürzlich auch RYAN ADAMS und gab als zusätzlichen Grund dafür, die Cardinais aufzulösen und sich künftig der Dichtung zu widmen (siehe Bücherseite!), an, er habe Ohrenprobleme und die Musikindustrie satt. Die Abstinenz hielt nicht lange: Im April veröffentlichte Adams drei neue Songs seines Death-Metal-Projekts WEREWOLPH im Internet. Das bringt uns (zugegeben: auf Umwegen) zu den Eagles of Death Metal, die bei einem Auftritt in London die allererste aller Punksingles coverten – „New Rose“ von THE DAMNED – und dafür deren Schlagzeuger Rat Scabies reaktivierten. BOB DYLAN wiederum riet den ROLLING STONES, ihren vorgefühlt 30 Jahren pensionierten Bassisten Bill Wyman zurückzuholen, weil sie ohne ihn nicht „echt“ und „nicht mehr so gut, wie sie mal waren“, seien. Was bekanntermaßen für alles auf der Welt gilt, weshalb es kein Wunder ist, dass im Frühling, befeuert von nostalgischer Sehnsucht und gewissen Säften, alle möglichen Leute danach streben, an „früher“ anzuknüpfen. Zum Beispiel ARCADE FIRE, die nach einem Jahr Pause wieder als Band existieren. Und MÜNCHENER FREIHEIT, die seit Anfang Mai wieder auf Tour sind und bis Oktober nicht weniger als 37 Konzerte spielen werden — davon neun in sogenannten „Stadthallen“, was auch einen nostalgischen Beiklang hat. Ganz zu schweigen von den LESHUMPHRIES SINGERS, die im Mai ein neues Album veröffentlichen – 33 Jahre nach ihrem kläglichen Abschneiden beim Eurovisions-Wettbewerb und selbstverständlich ohne Chordespot Les Humphries, der 1998 seinen Tod vortäuschte und 2007 wirklich starb, aber mkJURGENDREWS, ehemals Sexgott und Schrecken aller Kornfelder. Nein, ich denke mir das alles nicht aus, es ist nur so, dass der Frühling auch die Zeit ist, in der man saure Gurken für den Spätsommer einlegt und Meldenswertes sich auf die Tatsache beschränkt, dass Hinz und Kunz die Festivalbühnen beschallen. Da bleibt dem Newsredakteur nur das Wühlen in Viertelkuriosem, wobei er etwa erfährt, dass LILY ALLEN ‚mal heimlich Mitglied bei ATOMIC KITTEN war: Als ihr Papa Keith 2001 für die Fußballkomödie „Mike Bassett: England Manager“ den Hauptsong „On Me ‚Ead“ lieferte und Natasha Hamilton nach einigen vergeblichen Singversuchen plötzlich „krank“ wurde, holte er seine Tochter (damals 14) ins Studio. Die bekam den Song in ein paar Stunden hin, durfte das aber selbstverständlich nicht verraten. Zuwachs vermelden auch die ARCTIC MONKEYS, allerdings nur im Geiste. P. DIDDY lernte Schlagzeuger Matt Helders bei einem Musikantentreffen in Miami kennen, lud ihn in seine Villa ein und sprach ihm in die Videokamera: “ Ich bin das neueste Mitglied derArctic Monkeys. Ich singe nicht und spiele nicht, aber ich bin dabei. Wenn ihr euch mit denen anlegt, legt ihr euch mit mir an!“ Und das könnte böse ausgehen, wenn auch nicht so böse wie für Produzentenlegende/*///£ SPECTOR. Dessen zweiter Prozess wegen des Todes der Schauspielerin Lana Clarkson endete mit einem Schuldspruch wegen Mord zweiten Grades, was entgegen verbreiteter Ansicht keine Strafmilderung bedeutet, im Gegenteil: 15 Jahre wird der Weirdeste aller Pop-Weirden mindestens absitzen müssen. Während STARSAILOR nun damit renommieren, Spectors Manager habe ihnen vorgeworfen, dessen Ruf beschädigt zu haben, als sie 2003 die gemeinsame Arbeit an einem Album abbrachen (entgegen verbreiteter Ansicht nicht Spectors letzter Produzentenjob), üben sich die YEAH YEAH YEAHS arbeitstechnisch in Spector-Nostalgie: Produzent Dave Sitek und sein Bandkollege von TV ON THE RADIO, Tunde Adebimpe, mussten ihren Gastbeitrag zum aktuellen Album IT’S BLITZ (auf „Dragon Queen„) gut 200-mal wiederholen, bis Karen O. zufrieden war. Immerhin ging der Marathon ohne Androhung von Waffengewalt ab … Wollen wir nach all dem noch wissen, dass sich BONO neuerdings die Augen schminkt – nicht zur Verjüngung, sondern um auszusehen „wie Elvis‘ toter Bruder Jesse“? 8 Musikexpress Eigentlich nicht, aber: zu spät.