…nennt Aimee Mann ihr neues Album und singt so schön vom Elend der Welt


Verloren im Weltall: Da mag man Drogenerfahrungen assoziieren oder auch Astronauten, die irgendwo hoch über dem blauen Planeten schweben. Doch Aimee Mann hat mit dieser Sorte Schwerelosigkeit kaum etwas gemein. „Lost In Space“, das könnte aus ihrem Mund viel eher der Hilferuf derjenigen sein, die unnütz am Rand der Gesellschaft dahintorkeln. Tatsächlich funkelt Aimee Manns neue Platte noch dunkler als der Vorgänger „Bachelor No.2“. Und der schmeckte bereits zartbitter. Keine Frage, dass die dünne, blasse Frau mit der coolen Crooner-Stimme nicht zu denen gehört, denen man unverbesserlichen Optimismus und Schönfärberei nachsagen müsste. Die Hartnäckigkeit, mit der sich Mann an Enttäuschungen klammert – eigene wie fremde -, stellt alle, die irdischen Trost in der Popmusik suchen, ernsthaft auf die Probe: „Damals habe ich noch über Menschen gesungen, die irgendwie ‚fucked up‘ waren, doch diesmal sind meine Protagonisten den Bach noch etwas weiter runtergerauscht. Besessene eben, geistig Kranke oder vollkommen von ihrer Umwelt Entfremdete.“ Aimee Mann macht keinen Hehl daraus, dass sie als Songwriterin eigene Erfahrungen verarbeitet und jede Art von „plastic experience“ verabscheut. Beatleeske Melodien, perfekt ausgezirkelte Songarchitektur und die kühle Schönheit ihrer Arrangements kontrastieren auf „Lost In Space“ mit der ungeschminkten Sprache ihrer Lyrics. Die Details ihrer düsteren Songgemälde entstammen, so die Lebensgefährtin von Michael Penn, ihrem Bekanntenkreis. Dennoch würde sie sich nicht als den Berufspessimisten bezeichnen, als der sie vordergründig erscheint: „Für mich liegt eine große Zuversicht darin, über solche Dinge zu schreiben. Viel schlimmer wäre es, sie unter der Decke zu halten. Ich versuche einfach, komplexe menschliche Situationen zu analysieren.“

Sei es die Wahl zwischen Freunden und Job, Geld und Selbstrespekt, Lethargie oder Selbstzerstörung – billige Radiounterhaltung oder gar die Heavy Rotation der Videokanäle scheinen der Songwriterin so fremd zu sein wie der Hedonismus von Kylie Minogue und Pink. Genau diese Renitenz gegenüber dem Zeitgeist und den Ansprüchen der Industrie hatte sie immer wieder in eine Märtyrer-Rolle gedrängt: „Bachelor No. 2“ musste sie erst ihrer Plattenfirma Interscope abkaufen, um es dann auf ihrem eigenen Label ohne Hit-Zwang und Süßstoff-Zusätze an den Fan bringen zu können. Seitdem scheint Mann in Text und Tat die Religion der Service-Gesellschaft, die den Konsumenten als Endzweck allen Handelns betrachtet, zu bekämpfen. Also wird sie in den Feuilletons als widersprüchliche und popkulturell differente Persönlichkeit geführt – ohne Klischees können die Medien ja offenbar nicht. Dabei klingt Aimee Manns künstlerisches Prinzip so einfach wie einleuchtend: „Ich halte die Probleme der Menschen für viel faszinierender als ihr Glück.“ Wehe nur dem, der nicht um sein Unglück weiß.

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