Neil Young & Crazy Horse


Neil Youngs Patriotismus ist nicht der Stoff, aus dem bunte US-Fähnchen geschneidert und umjubelte Präsidentenreden zusammengestellt werden. Schon mit“.Ohio“, einem Song gegen den Vietnamkrieg, hatte der gebürtige Kanadier einst dem amerikanischen Selbstbewußtsein einen Fausthieb in die Magengrube verpaßt. Dabei ist Youngs Protest nicht etwa das Resultat simplen Schwarz-Weiß-Denkens in überholten Rechts-Links-Kategorien. Und nur ein Schelm wird Neil Young wegen des Auftakts seiner „Ragged Glory“-Welttournee für einen Fan von US-Präsident George Bush halten: Auf riesigen Stoffbahnen prangt das Friedenszeichen, während vom Band Jimi Hendrix mit seiner Gitarrenversion der Hymne „Star Spangled Banner“ über die leere Bühne und ins Publikum tönt. Ein als Handwerker verkleideter Roadie stellt einen überdimensionalen Mikro-Ständer auf die Bühne, an dem eine große gelbe Schleife hängt. Amerikas Symbol für Solidarität mit den Soldaten in Saudi-Arabien. Es ist der 19. Tag des Golftcrieges. Was Hendrix einst als ironischen Protest meinte, funktionieren die 14.000 Fans im Madison Square Garden zum patriotischen Bekenntnis um. bevor Neil Youne und Crazv Horse mit „Hey, Hey, My, My (Into The Black)“ vom Xlbum RUSf NEVER SLEEPS (1979) für die nächsten zwei Stunden die Aufmerksamkeil auf ihr Rock V Roll-Bekenntnis lenken.

Seine symbolische Verbeugung vor der amerikanischen Fahne ergänzt Young im dritten Song mit einer musikalischen Verneigung vor dem Peace-Symbol: Mit den Verstärkern auf Hochtouren steiet er zusammen mit Gitarrist Frank Sampedro in Bob Dylans Antikriegssong „Blowin‘ In The Wind“ ein, während Scheinwerfer den Trockeneisnebel in die amerikanischen Nationalfarben Rot, Weiß und Blau tauchen und ein Ventilator die gelbe Schleife im Wind flattern läßt.

Der 45jährige Rocker und seine Band Crazy Horse spielen den Instrumentalteil von“.Blowin‘ In The Wind“ voller Power und erzeugen Verzerrungen, wie sie einst Vanilla Fudge benutzte, um die Motown-Klas.siker zu zerstückeln. Der Rest des Abends ist nicht minder monumental: ein langsamer bis mittelschneller Song nach dem anderen.

Der Schwerpunkt des Programms liegt jedoch auf Material vom neuen Album RAGGED GLO-RY, das die glorreiche, über 20jährige Tradition von Neil Young und Crazy Horse mit wehmütiger Romantik und mit Killer-Improvisationen fortführt. Aus diesem Album stammten auch die beiden mit Abstand besten Stücke des Abends: „Mansion On The Hill“ und „Fuckin‘ Up“.

Und dann erreicht der Abend schließlich seinen heiß ersehnten Höhepunkt: Neil Young zerfetzt mit Windmühlenschlägen sämtliche Gitarrensaiten. Das war’s.