Mobbing im K-Pop: Hyunjin darf wieder mit den Stray Kids spielen


Für viele ist Hyunjin der Star bei den Stray Kids. Das half ihm jedoch wenig, als er von alten Schulkameraden des Mobbings bezichtigt wurde: Seine Chefs bei JYP Entertainment nahmen ihn für Monate aus den Band-Aktivitäten. Nun kehrt der Büßer geläutert zurück.

Das englische Wort „bully“ war schon immer schwer zu übersetzen. Rüpel, Rabauke, Tyrann, Mobber, Schulhofschubser – all das schwingt darin mit, trifft es aber nie so exakt wie eben „bully“. Im Frühjahr dieses Jahres las man das Wort in vielen Artikeln über die Sport-, Musik- und Filmwelt Südkoreas. Eine Welle von Anschuldigungen rauschte durch das Internet, als sich ehemalige Klassenkameradinnen und Schulfreunde meldeten und zahlreiche Prominente des Schulhof-Mobbings bezichtigten. Darunter auch Hwang Hyunjin von den Stray Kids.

K-Pop-Star Hyunjin wurde wegen Mobbingvorwürfen suspendiert

Eine Welle von Mobbing-Vorwürfen in Südkorea

Den Anfang nahm dieses Outcalling mit Anschuldigungen gegen die Volleyball-Stars Lee Jae-yeong und Lee Da-yeong. Die Zwillingsschwestern sollen in ihrer Schulzeit Mitschülerinnen verbal beleidigt, geschubst, auf den Kopf geschlagen und in einem Fall sogar mit einem Messer bedroht haben. Die beiden entschuldigten sich zwar umgehend, wurden aber von ihrem Team, den Heungkuk Life Pink Spiders, suspendiert und auch aus dem Olympischen Team geworfen. Weitere Postings von anderen Fällen folgten – unter anderem verlor der Schauspieler Kim Ji Soo, Star der Serie „River Where The Moon Rises“, nach mehreren konkreten Vorwürfen seine Rolle.

Die harten Reaktionen zeigen, dass Mobbing oder „Bullying“ in Korea kein Kavaliersdelikt ist. Die Schulzeit in Südkorea ist eh von einem großen Leistungsdruck geprägt. Das Land kämpft zudem seit Jahrzehnten mit sehr hohen Suizidraten unter jungen Menschen, die oft auf besagten Druck oder auf Schikanen ihrer Mitschüler zurückzuführen sind. Auch die hierarchische Berufswelt fördert dieses Verhalten, das im Koreanischen „Gapjil“ genannt wird. Was im Deutschrap also zum guten Ton und in eine glaubhafte Bad-Boy-Vita gehört (was natürlich auch nicht geil ist), ist im K-Pop, der ja immer sein sauberes Image erhalten wollte, ein großes Problem.

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Auch im K-Pop gab es Mobbing-Vorwürfe

Von den K-Pop Idols wurden im Frühjahr Soojin von (G)I-dle, Kihyun von MONSTA X, Mingyu von SEVENTEEN und eben Hyunjin von den Stray Kids des Mobbings beschuldigt. Der heute 21-jährige Hyunjin soll eine Mitschülerin mehrfach verbal bedrängt und ihre Eltern beleidigt haben, hieß es in einem ersten Posting einer Betroffenen. Es war nicht das erste Mal, dass ein „Mobbing-Skandal“ K-Pop erschütterte oder das erste Mal, dass Hyunjin mit Bullying-Vorwürfen konfrontiert wurde. Doch vor dem Hintergrund der Bewegung in der koreanischen Gesellschaft brauchte es diesmal mehr Vorsicht seitens des Managements.

Am Fall von Hyunjin und an den Reaktionen seiner Produktionsfirma JYP Entertainment kann man gut erkennen, wie man nach und nach versuchte, einen angemessenen Kurs zu finden. Da nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe auch Stimmen laut wurden, die Hyunjin in Schutz nahmen und andere aus seiner Schule die Vorwürfe anzweifelten, äußerte sich JYP zuerst mit einem zurückhaltenden Statement. Man bemühe sich alle Fakten zu überprüfen, hieß es darin. Und man werde versuchen, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen, wenn sie dies zuließen. Am Ende heißt es dann sehr bestimmt: „Wir werden unser Bestes tun, um unseren Künstler durch Aufklärung des Sachverhalts zu schützen“, und man werde sich gegen die Verbreitung von Gerüchten wehren.

Nachforschungen und Gespräche vor Ort

Drei Tage später kam dann vom JYP-Chef Park Jin-young höchstselbst das Eingeständnis, dass Hyunjin mit seinem früheren Verhalten einige Menschen verletzt habe. In dem Posting erfährt man auch, wie JYP weiter vorgegangen ist. Man habe sich mit Nachbarn, Lehrern und Schulkameradinnen getroffen und sich den Sachverhalt angehört. Außerdem habe sich die Firma und auch ihr Künstler persönlich und aufrichtig entschuldigt. Am Ende heißt es: „Hyunjin hat sich geschworen, in Zukunft ein gutes Leben im Geiste der persönlichen Reflexion zu führen und wir planen, unseren Künstlern dabei zu helfen, den richtigen Weg zu gehen.“ Einen Tag später folgte das Announcement, Hyunjin werde sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen und eine Weile nicht an den Aktivitäten der Stray Kids teilnehmen. Außerdem kündigte er darin eine Art Büßergang an: Er wolle aufrichtig über seine Taten in der Schulzeit nachdenken und sich persönlich bei all jenen entschuldigen, die er mit seinen Worten und Taten verletzt habe.

Persönliches Statement von Hyunjin

Auf dem Instagram-Kanal von Stray Kids folgte noch eine weitere, sehr persönliche Entschuldigung von ihm:

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Hier entschuldigt er sich für seine „unangemessenen Handlungen“ während seiner Schulzeit bei all denjenigen, die dadurch verletzt wurden. Auch fügt er an, dass er rückblickend auf diese Zeit „peinlich berührt“ sei und keine Erklärung für sein Verhalten habe. Hyunjin bedankt sich ausdrücklich bei denen, die sich zu einem persönlichen Treffen bereit erklärt haben. Das Statement schließt mit den Worten: „Es tut mir unendlich leid, dass ich die Menschen enttäuscht habe, die mich von Anfang an unterstützt haben.“

„Don’t mention the war.“

So weit so gut. Damit war die Öffentlichkeit zunächst beruhigt, aber es stellte JYP und die Stray Kids vor ganz konkrete Probleme. Die Band steckte inmitten einer sehr aktiven Phase und hatte viele anstehende TV-Verpflichtungen. Hauptsächliche als Teilnehmer der K-Pop-Show „Kingdom“, wo verschiedene Bands mit ihren Performances gegeneinander antraten. Sah JYP bis dahin noch recht souverän aus mit seinem selbst initiierten Aufklärungsprozess, schien die Losung nun eher zu lauten: „Don’t mention the war.“ Oder besser: „War was?“ Bei der ersten Performance war Hyunjin noch kurz zu sehen, dann tauchte er in der gesamten Show nicht mehr auf.

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Auch bei Variety Shows der Band war er kurz darauf nicht mehr zu sehen. Sein Fehlen wurde bei all dem nie thematisiert und auch der Rest der Band tat so, als hätte es ihn nie gegeben. Und das obwohl Hyunjin zuvor immer der gut inszenierte Blickfang war, was man zum Beispiel im Video zu „Back Door“ deutlich ansieht.

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Selbst im wöchentlichen Live-Format „Chan’s Room“ von Bandleader Bang Chan gab es in Episode 98 eine Szene, wo Chan den Fans erklärte, wer welche Passagen im Song „Going Dumb“ singt. Dort nannte Chan Hyunjin nicht, sondern überspielte den Moment, obwohl er im Song zu hören war.

Die Rückkehr des Büßers

Ende Juni beschloss man bei JYP, dass Hyunjin genug Buße getan habe und kündigte seine Rückkehr an. Hier sprang dann wieder die wohl kalkulierte Inszenierungsmaschine an, wie man sie normalerweise von großen K-Pop-Firmen kennt. Den Anfang machte ein offizielles JYP-Statement, in dem es hieß, Hyunjin habe die Zeit nicht nur für die Selbstreflexion und seine persönlichen Entschuldigungen genutzt, sondern auch so etwas wie Sozialarbeit geleistet – als freiwilliger Helfer und als generöser Spender.

Seinen ersten Auftritt hatte Hyunjin im Video zur digitalen Single „애“. Vor dem Hintergrund der Geschehnisse hat es etwas unfreiwillig Komisches, wie er im Clip als melancholisch sinnierender Künstler gezeigt wird, der seine Freunde vermisst.

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Ein Tanz mit den eigenen Dämonen

Seit dem 9. Juli ist Hyunjin nun wieder voll am Start. Seine Fans, die ihm zum großen Teil verziehen haben, wurden mit einem Tanzvideo beschenkt, in dem er noch mal tänzerisch mit seinen Dämonen ringt. Außerdem ist er wieder bei „Bubble“ aktiv, eine Art Messenger-Service, auf dem Idols mit ihren Fans kommunizieren können.

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All das bleibt ein erstaunlicher Vorgang, der wieder einmal zeigt, dass K-Pop manchmal eher wie Profisport funktioniert. Er zeigt aber auch, dass die Produktionsfirmen oft kämpfen müssen, um das polierte Image ihrer Idols clean zu halten. Dass sie dafür dann sogar Schulen besuchen und Lehrer über ihre Idols befragen, hätte man vorher wohl auch nicht gedacht. Das würde in Deutschland wohl in den meisten Fällen anders ablaufen – oder gar nicht so intensiv thematisiert werden. Außer im harten Teil des Deutschraps. Da würde man vermutlich einen Track draus machen …