Mit „Liedern vom Ende des Kapitalismus“ wagt Peter Licht einen Blick in die Utopie – mit ernüchterndem Ergebnis
Peter Licht schreibt Songs, die auf den ersten Blick Spaß und auf den zweiten nachdenklich machen. Er nannte einst die Sonne eine „gelbe Sau“, die „auch nur mit Wasser“ koche („Lied gegen die Schwerkraft“). Das war lustig. Aber eigentlich faßt er lediglich individuelle und doch sehr allgemeingültige Gedanken und Ängste in witzige Worte, so daß die Realität nicht ganz so hart klingt, wenn man sie sich von ihm vorsingen läßt. Sein Songwriting bezeichnet er als „Streufeuer von Assoziationen und Bewußtseinszuständen“, er ist Kunst-Katalysator, ein Übersetzer von diplomatischem Geschick. Der Kölner Wortjongleur Meinrad Jungblut, der sich Peter Licht nennt, denkt nach. Und zwar eine ganze Menge. „Wir sind jung und machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt‘ hieß ein Song auf dem Album vierzehn Lieder von 2001, der auch als Theaterstück „geremixt“ wurde. Das neue Album ist Teil einer Kunst-Trilogie; es gibt auch noch das passende Buch und ein sich mit Songs und Texten frei befassendes Theaterprojekt. Thema: das Ende des Kapitalismus, in allen Facetten. „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an deutschen Schulen“, zitiert er eine Kurzmeldung von vielen, ein Pars pro toto im Nachrichtendschungel des allgegenwärtigen Arbeitsmarktlabyrinths. Und bleibt dabei immer aktuell, vielleicht sogar unfreiwillig. „Das Traurige ist ja, daß diese Themen ewig gültig sind“, weiß er. „Das Ende des Kapitalismus bestimmt unser aller Leben, auch wenn wir es vielleicht nicht erleben werden.“
Der Kapitalismus, „der alte Schlawiner“, der „uns lang genug auf der Tasche gelegen“ hat, ist für Peter Licht jedoch nicht nur Konstrukt der Kaufkräftigen, sondern bestimmt inzwischen als alte Gewohnheit auch das Privatleben: „Wir kennen es ja nicht anders. Selbst die Liebe ist kapitalistischen Motiven und Schemata unterworfen.“ So ist sein neues Album neben allen sprachlichen Hintertürchen in die freundliche Welt des Comic Relief Ausdruck von tiefem Sehnen und (beinahe) verzweifeltem Träumen. Seine Gedankensprünge überlupfen leichtfüßig wie ein Rehkitz unerfüllbare Erwartungshaltungen. Euphorie und Gleichheit, stoisch anmutendes Aggressionspotential, nur um schlußendlich vor einem großen, tiefen Nichts zu stehen.
„Es bleibt uns der Wind, in den wir uns hängen“, lautet das Fazit. „Wenn der böse Mann tot ist, legen wir uns ins Bett.“ Die Aussichten, was uns nach dem Ende des Kapitalismus erwarten könnte, bleiben zwar variabel, doch keineswegs sind sie tröstlich. „Hundertprozentig im Hier- und Jetzt zu leben, ist der große Wunsch“, sagt er. „Sich in der Liebe und im Leben verlieren zu dürfen, den Kopf in den Sternen zu haben. Und am Ende ist man gleichzeitig verloren und so einsam wie alte Plastiktüten, die den Strand entlangwehen. Das kann sowohl schon und befreiend als auch beängstigend sein.“ Dieser Mann macht keine klaren Ansagen. Er will niemanden zum Mitdenken zwingen, geschweige denn Positionen vorschreiben, denn er ist schon genug mit dem eigenen Denken beschäftigt. Aber wer die Zusammenhänge mit ihm durchleuchten will, ist herzlich eingeladen. Und dieses dritte Album gibt reichlich Hilfestellung.
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