Mister Britpop


Alan McGee entdeckte einst Oasis. Jetzt macht er sich wieder auf die Suche nach der Zukunft des Pop. Diesmal im Internet.

Im Juni 1998 erklärte Alan McGee den Lesern des „New Musical Express“ die Zukunft des Rock’n’Roll: „In fünf bis zehn Jahren wird es keine Plattenfirmen mehr geben. Bands werden ihre Musik im Internet anbieten. Die Plattenfirma fällt weg, und man beliefert den Fan direkt. Das Herunterladen auf die Festplatte wird nicht mehr als 10 Pfund pro Album kosten – im Gegensatz zu dreizehn oder vierzehn, die zur Zeil im Laden verlangt werden.“ Als sie das lasen, meinten manche der Mann habe sie nicht mehr alle. Der erfolgreichste Macher im britischen Musikgeschäft der neunziger Jahre denkt allen Ernstes darüber nach, seinen eigenen Thron anzusägen? McGee hat es nicht bei Worten belassen. Im Juni 2000 stellte seine Plattenfirma Creation endgültig den Betrieb ein. Zur Erinnerung: In den siebzehn Jahren ihres Bestehens bescherte sie der Popund Rockwelt bahnbrechende Bands (Oasis, Primal Scream, The Jesus & Mary Chain) und sympathische Eigenbrötler (Teenage Fanclub, Super Funy Animals, Boo Radleys).

Zwei Monate danach ging McGee mit seinem neuen Unternehmen Poptones an die britische Börse, ohne auch nur eine Platte auf dem Label veröffentlicht zu haben. Heute wird der Handelswert von Poptones auf über 60 Millionen Mark geschätzt. Sogar die Queen gehört zu den Aktionären. Eigentlich hatte McGee bei der Neuordnung einer Geschäfte nichts zu befürchten. Schätzungen der „Sunday Times“ zufolge, nimmt der kahlköpfige Schotte in der Liste der reichsten Menschen in Großbritannien den 47. Platz ein. Geschätztes Privatvermögen: 80 Millionen Mark. Für einen mehrfachen Millionär kann so etwas wie Poptones nur Spekulationsobjekt sein. Hat es Erfolg, bestätigt McGee seinen Ruf als Pop-Visionär. Hat es keinen, Pech gehabt. „Ich hatte vierzehn Nr.l-Hits in den neunziger Jahren. Wenn ich in Zukunft keinen einzigen mehr habe, ist mir das piepegal“, sagt er. Warum sich auch Sorgen machen? Die vielleicht bewegtesten Jahre seines Lebens hat McGee hinter sich. 1992 stand er mit Creation vor dem totalen Bankrott. Bands wie My Bloody Valentine hatten die Kosten derart in die Höhe getrieben, dass ein geordneter Independent-Labelbetrieb nicht mehr möglich war. Der selbsternannte Punk-Rocker warf den Rettungsanker und verkaufte seine Firma zu 49% an Sony Music. Ein Jahr später entdeckte McGee Oasis. Die Band erwies sich zunächst als Glücksbringer, denn von den ersten beiden Oasis-Alben konnte Creation weltweit 35 Millionen Exemplare absetzen. Doch der Ruhm hatte seine Schattenseiten. McGee verlor die Bodenhaftung und war kaum noch im Büro von Creation anzutreffen. Er überließ es seinem Personal und dem Oasis-Management, wie die Veröffentlichung des wichtigen „Be Here Now“-Albums vorbereitet werden sollte. Beliebteste Auskunft bei Creation zu dieser Zeit: Der Chef ist beim Fußball. Auf den Tribünen von Mailand, Amsterdam und Glasgow verlor McGee das Interesse an der Musik, wegen den Drogen fast sogar Gesundheit und Seelenheil. Aber McGee konnte sich jeden Therapeuten der Welt leisten. „Alle drei Monate öffnete ich einen Brief und es war wieder ein Scheck im Wert von 2,5 Millionen Mark drin.“

Dan günstigsten Zeitpunkt zum Absprung hatte er verpasst. Im Sommer 1996 spielten Oasis ihren Festival-Gig in Knebworth vor Zehntausenden von Zuhörern. Der Auftritt signalisierte den Zenit der Britpop-Ära. „Da hätte ich Creation endgültig verscherbeln müssen. Das wäre ein Geniestreich gewesen, Aufhören, wenn man oben ist.“ Mit Poptones will McGee der Musikszene nun nochmal einen Tritt in den Hintern verpassen. „Was ich heute höre, sind nette Jungs mit Universitätsabschlüssen. Weicheier und Bettnässer. Seit Oasis und The Verve hat keine britische Band mehr für Unruhe oder Gefahr gesorgt.