Michael Jackson


Michael Jackson überall. Sonntag Abend drängen sich rund 40000 Fans vor den Toren des großen Stadiums in Tokyo und werden da mit dem bombadiert, was sie im Konzert größtenteils nicht sehen werden: Michaels Gesicht — nagelneu, fein und fast weiß. Auf Postern, T-Shirts, Postkarten, Telefonbüchlein, Schlüsselanhängern. Daneben das „Alles über Michael Jackson“-Buch auf japanisch: Michael, das ewige Kind, mit Lama und Schimpansen, nicht zu vergessen die beliebte Kombination aus Porträt, Abbildung seines Handschuhs und Handabdruck mit kopiertem Starautogramm. Die Gesichtsoperationen waren teuer, das Geschäft läuft auf Hochtouren. Demnächst werden wohl sämtliche japanische Teenager davon träumen, sich die Farbe aus dem Gesicht und die Schlitze von den Augen nehmen zu lassen.

Heute Abend wird Michael Jackson zum zweiten mal in seinem Leben ein Solo-Konzert geben — das erste mal war gestern. Experten schätzen den Gewinn der Welt-Tournee, die hier in Tokyo beginnt, auf 100 Millionen Dollar. Der Anfang ist gemacht: 75 000 Japaner haben bei den beiden Konzerten zwischen 70 und 90,— Mark für eine Karte gelöhnt.

Was sie dafür zu sehen kriegen, ist eine runderneuerte Michael Jackson-Fassade. Alle Geschichten von Schutzmaske, Sauerstoffzelt und den vielen lieben Haustierchen sind in dem Moment vergessen, als Michael erstmals die Bühne stürmt — in soviel Leder gepackt, daß er damit eine ganze Motorradgang ausstatten könnte. Er läßt die Hüften kreisen, zuckt, schürzt die Oberlippe und rammelt sich durch „I Wanna Be Starting Something“, als wollte er sich bei den Beastie Boys bewerben.

„Ich bin kein kleiner Junge mehr, ich bin ein Mann. Das ist mein neues Ich, so fühle ich wirklich“, möchte uns der 29jährige weiß machen und legt es in seiner Show darauf an, zu beweisen, daß er, wie der Titel seines Albums, tatsächlich „bad“ sei. „Macho Jacko“ ist geboren. Zugegeben: Sollte er wirklich, wie er behauptet, die älteste Jungfrau im Showbiz sein, dann hat ihm jemand ein paar eindeutige Tips gegeben. Michael tanzt wie ein junger Gott und stellt den Rest der Band, sieben Musiker, vier Tänzer und vier Backgroundsänger, restlos in den Schatten. Und gerade als man dachte, er sei der beste Tänzer der Welt, singt er „Human Nature“ — und man glaubt, den weitbesten Sänger vor sich zu haben.

Die Japaner sind außer Rand und Band, johlen, klatschen, und diese normalerweise zurückhaltenden Leute werden sich nicht wieder hinsetzen, bis der letzte Ton des heutigen Abends verklungen ist. Jetzt werden wir Euch die guten alten Songs in der guten alten Art bringen“, quiekt Michael und swingt sich im traditionellen Soul-Revue-Stil durch die ersten drei Jackson 5-Hits. Bei „You Are My Lovely One“ wischt er sich mehr als einmal eine Träne aus den Augen und ruft „aishimeiasu“ (japanisch: Ich liebe Euch).

Höhepunkt des Abends ist die Szenerie bei „Working Day And Night“: Michael wird scheinbar in einem silberglänzenden, undurchsichtigen Käfig hochgehievt, das Ganze rüttelt ein bißchen, als ob er versuchen wollte, daraus zu entkommen, fällt dann plötzlich auf die Bühne und — Michael ist verschwunden. Einen Augenblick später taucht er auf der anderen Seite der Bühne auf, ein zerfetztes Cape hängt dramatisch von seinen Schultern, der Rhythmus dröhnt „Beat It“.

Tolle Show — das Publikum wird den Rest des Jahren sparen müssen — und Michael wird sich ein paar Stündlein in seinem Sauerstoffsarg erholen.