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ME hat gewählt: Das sind unsere Alben des Jahres 2023


50 Alben, die uns begeistert haben – mit Platten von Boygenius, Mitski und Lana Del Rey.

2023 sind wieder etliche bemerkenswerte und kuriose Platten erschienen – und von 50 dieser Releases können wir guten Gewissens sagen, dass sie unsere Alben des Jahres sind!

50. Everything But The Girl – FUSE

Ein Comeback auf leisen Sohlen: Das coolste Ehepaar des Pop findet nach fast einem Vierteljahrhundert neu zusammen und singt Electro-Pop-Songs übers Älterwerden: Ben Watt erinnert sich an DJ- und Karaoke-Nächte, Tracey Thorn nimmt sich vor, weniger streng zu sich zu sein und doch mal wieder eine Zigarette zu rauchen – sie nennt es den „Wechseljahre-Blues“. Everything But The Girl geben auf FUSE viel über sich preis, ein Rätsel bleibt das Cover mit seiner C64-Demo-Optik. – André Boße

49. Margo Price – STRAYS

Prices Country-Wurzeln finden auf ihrem vierten Album in Jonathan Wilson als Produzenten den perfekten psychedelischen Studio-Sparringspartner. Unterstützt von Sharon Van Etten, Heartbreaker Mike Campbell (der den Tom-Petty-Faktor zusätzlich in die Höhe schraubt) oder Lucius gelingt der Farmerstochter aus dem mittleren Westen der Spagat zwischen Psilo-Pop, Classic- und Roots-Rock auf durchweg superben Songs. Auch (sehr) gut: Das unlängst erschienene Schwester-Album, STRAYS II, mit neun weiteren Höhepunkten aus der Seelensucher-Session mit Wilson. – Frank Thiessies

48. Fatoni – WUNDERBARE WELT

Sozial-, Gesellschafts-, Kapitalismus- und Medienkritik, Selbstzweifel und -ironie, Storytelling und Verbeugung vor Rio Reiser und Alfred Jodokus Kwak: Fatonis neues Album umfasst so viel mehr als nur den titelgegeben Sarkasmus. Er rappt von Aufstiegslügen, reimt Michael Jordan auf Dieter Hallervorden und fährt im Taxi zur Therapie. Features mit unser aller neuem Lieblingslinken Danger Dan, dem aus der Zeit gefallenen Tristan Brusch, Elder Statesman Max Herre sowie Deichkind und Roger Rekless untermauern, dass man im Deutschrap auch ohne Disses und Beefs, sondern mit Inhalten laut sein kann – wenn man denn kann. – Fabian Soethof

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47. Olivia Rodrigo – GUTS

GUTS wirkt wie eine zugespitzte Version des Debütalbums SOUR: kantiger, gewitzter, aggressiver, verrückter. Vielleicht hat Rodrigo der überragende Erfolg des Vorgängers den entsprechenden Mut gegeben, ihre künstlerische Vision noch kühner zu verfolgen. Doch Taylor Swift und Billie Eilish müssen in ihrer Champions League nun keine Platzangst bekommen: Rodrigo ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Ihr Sound speist sich aus Einflüssen von Hole, Weezer, Blondie, den Veronicas und Alvvays. Pop-Rock im besten Sinne – Gitarren sind hier keine Deko, sondern logischer Ausdruck einer Haltung. – Stephan Rehm Rozanes

46. Noname – SUNDIAL

2019 kündigte die Rapperin aus Chicago ihren Rückzug aus dem Musikbusiness an. Sundial war so fast schon ein trotziges Comeback. Politisch unbarmherzig und technisch leichtfüßig rappt sie gegen Vereinnahmung und den Ausverkauf von HipHop an. Statt umgehend zum Meilenstein eines kampflustigen „Conscious rap“ erklärt zu werden, ging das Album in der Kontroverse um die hirnlosen Lines ihres Feature-Gastes Jay Electronica unter. „Your disappointment means nothing to me and I say that with love“, sagte Noname anschließend ihren Fans. Azaelia Banks lässt grüßen. – Fabian Peltsch

45. Gaz Coombes – TURN THE CAR AROUND

Der Supergrass-Sänger (da lassen wir mal die Vorsilbe Ex weg, weil seine alte Band für den Live-Betrieb zwischenzeitlich wiederbelebt wurde) demonstrierte 2023 ganz fabelhaft, wie man mit der Vergangenheit weit nach vorne gehen kann. Den fahrbaren Untersatz mal in die andere Richtung gedreht und die Reise ins Walhalla des Soul gestartet, das klingt fein, fett und pathetisch im selben Moment: „Don’t Say It’s Over“. So viel antike Songbaukunst lässt uns jubeln, wir schweben mit Gaz in die Zukunft. – Frank Sawatzki

44. Romy – MID AIR

Drei Jahre nach ihrer ersten Solosingle „Lifetime“ legte endlich auch Romy Madley Croft, als letztes The-xx-Mitglied nach Jamie xx und Oliver Sim, ein Soloalbum vor. Auf MID AIR beamt Romy sich und uns einerseits in die Eurodance-Discos der späten Neunziger und auf Queer Raves zurück und steht andererseits dank EDM-Drops und der kontemporären House-Produktion von Stuart Price und dem kommenden Superstar Fred again.. ganz im soundtechnischen Hier und Jetzt. Die zweite gute Nachricht: Eine neue Platte der Indie-Electronic-Minimal-Held:innen The xx dürfte nun wirklich nur noch eine Frage der Zeit sein. – Fabian Soethof

43. Saeko Killy – MORPHING POLAROIDS

Die japanische Musikerin und DJ Saeko Killy bestätigt mit ihrem Debütalbum einen Micro-Trend der vergangenen Jahre: die Transzendierung von House und Techno in eine andere Art von Musik, für die noch ein Begriff erfunden werden muss. MORPHING POLAROIDS ist ein faszinierendes Album aus Versatzstücken von Dub, House, Post-Punk, experimentellem Krautrock und Psychedelia mit einer ausgesprochenen Liebe zu kleinen Sounddetails als Salz in der Suppe. Jeder einzelne Track ist eine Sensation für sich. – Albert Koch

42. Deichkind – NEUES VOM DAUERZUSTAND

Gewonnen hatten Deichkind schon nach dem Opener „Delle am Helm“: Drölf Umschreibungen für Ressourcenmangel aka geistige Leere zu finden, ohne sich über mentale Gesundheit lustig zu machen, zeugt davon, wie sehr ihnen das Hopping zwischen prolligen Partykrawallisten und Gegenwartskarikaturisten vorm Trademark-Sound immer noch oder wieder gelingt. Ferris ist weg, Roger Rekless da. „Remmidemmi“-Saufbouncer heißen heute „Fete verpennt“. Und mit der heinz-strunkigen Italo-Strandnummer „Lecko Mio“ ist doch noch was für ungepflegte Drinks dabei. – Fabian Soethof

41. Kate NV – WOW

Ekaterina Shilonosova ist der Popstar für Menschen, die Pop am liebsten nicht von Multimillionär:innen hören wollen. Die Produzentin aus Russland entwirft auf ihrem fünften Album ein Patchwork aus Pop-Dekonstruktionen, wie es japanische Künstler:innen wie Haruomi Hosono, Akiko Yano oder Yasuaki Shimizu in den 70ern und 80ern gemacht haben. Comic-Musik direkt aus dem Computerspiel: eine Art von Pop, die kein richtiger Pop ist, trifft auf eine Art Avantgarde, die keine richtige Avantgarde ist. – Albert Koch