McLaughlin: Musik ist überall…
Wir, das heisst, alle, Menschen, stehen dauernd miteinander in Verbindung. Wenn man sich hinsetzt und meditiert, steht man am intensivsten mit allem in Verbindung. Schweigen ist die optimale Musik und ‚Musik‘ kommt dem am nächsten.
ME: In welcher Sprache spricht dein Guru zu dir? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Musik macht …
John: Doch, er spielt Harmonium und er ist ein grossartiger Musiker. Er hat mehrere hundert Songs geschrieben. Damit wir uns richtig verstehen: Für mich ist Musik mehr als nur ‚Musik‘. Für mich ist alles Musik. Wenn Sri Chinmoy meditiert, teilt er sich mir schweigend mit – viel intensiver als er das mit Worten tun könnte, und aus eben diesem Schweigen kommt alle meine Musik. Aus dem Schweigen, das er produziert. Es ist göttliche Musik, göttliches Licht.
MUSIK IST ÜBERALL
In Wirklichkeit macht jeder Musik, denn wenn man spricht, glaubt man nur, dass man spricht, in Wirklichkeit singt man. Wenn Du gehst, glaubst Du nur dass Du gehst, in Wirklichkeit tanzt Du. Und Du gehst, tanzt, sowie Du dich gerade fühlst. Du kannst garnicht anders als zu singen und zu tanzen. Wir haben Wörter wie ‚gehen‘ und ’sprechen‘, aber in Wirklichkeit gibt es nur Musik. Und selbst wenn Du aufhörst zu sprechen, machst Du immer noch Musik mit dem lautlosen Gesichtsausdruck, der durch dein Gefühl geprägt wird. Wenn Du meditierst oder sonstwie einen Augenblick erreichst, in dem Du besonders gut durchblickst und Du einfach schweigst, dann kannst Du überall Musik hören: Ob es die Tür ist, die knarrt, oder Vogelgezwitscher, alles, ob jemand einfach nur atmet, weisst Du was ich meine? Man könnte sagen, das ist ein Trick aus dem Zen-Buddhismus, aber wenn man es selbst erfahren hat, ist es jedermans Trick. Wenn Du auf eine grüne Wiese gehst, wo kein Stassenlärm ist, dann findest Du sie: Die grossartigste Musik, die Du dir vorstellen kannst.
DU BIST STIMME GOTTES
ME: Wie gibst Du das viele Geld aus, das Du ja inzwischen verdienst?
John: Well, I tell you, ich glaube nicht, dass das Geld wirklich mir gehört, dass ist so eine von meinen komischen Ansichten. Mein ‚Taschengeld‘ übergebe ich an meinen Guru, der es für mich verwaltet, denn er weiss, was das Beste für mich ist. Wenn er z.B. sagt, kauf ein Haus, okay, dann kaufe ich ein Haus. Er weiss besser als ich selbst, was gut für mich ist.
ME: Lebst Du in einer Kommune?
John: Nein, ich wohne mit meinem Guru und drei anderen Leuten zusammen, aber es ist keine Kommune. Ich stehe nämlich sehr auf ‚Privatleben‘.
ME: Ist das Mahavishnu-Orchestra aus deiner Sicht das Instrument, das Gottes Stimme optimal zum Ausdruck bringt?
John: Es ist nicht das, es ist ein Instrument. Gott hat unendlich viele Stimmen. Ich bin nur eine davon und Du bist auch eine. Jeder spricht eben bewusst oder unbewusst die Sprache Gottes.
ME: Wie erklärst Du dir, dass dein Guru deine Entscheidungen besser als Du selbst treffen kann?
John: An einer Erklärung bin ich überhaupt nicht interessiert. Ich schaue ihn nur an, dann weiss ich es einfach. Angenommen ich habe ein Problem und ich brauche seinen Rat, dann muss ich nur in seiner Gegenwart sein – er braucht nichts zu sagen – und zack! habe ich die Lösung gefunden.
ICH MAG JAMES TAYLOR
ME: Wie denkst Du über Musiker wie Alice Cooper, T.Rex, usw.?
John: Nun, sie erfüllen bestimmte Wünsche einer bestimmten Gruppe von Menschen. Wie könnte ich sagen, es ist falsch, was sie machen, es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Ich kann nur sagen, dass deren Musik mich nicht inspiriert, und das ist, worauf es ankommt. Wenn Alice Cooper mich inspirierte, würde ich mir Alice Cooper anhören. Und so gibt es eine Menge Musik, die mich einfach nicht inspiriert oder bewegt, das ist dasselbe.
ME: Gibt es überhaupt noch Rock- oder Popmusiker, die dich inspirieren?
John: Hm, ich mag James Taylor, er ist soulful, von seiner Musik kommen Vibrations, die mich berühren.
ME: Kannst Du dir vorstellen, dass Du einmal deinen Guru verlässt?
John: Meinen Guru verlassen – niemals …
ME: Die Beatles hatten auch mal einen Guru …
John: Das stimmt. Aber ich glaube, sie hatten sich etwas anderes darunter vorgestellt; deshalb waren sie mit ihm unzufrieden.
ME: Es gibt also verschiedene Wege zu einem zufriedenen Leben.
John: Natürlich, aber ich kann eben nur über meine eigenen Erfahrungen sprechen. Im übrigen halte ich das, was John Lennon tut für sehr wertvoll.
ME: John, Du bist Engländer. Warum bist Du nach Amerika gegangen?
John: Sri Chinmoy sagte einmal: „Das Mahavishnu-Orchestra konnte nur in Amerika entstehen, denn Amerika ist irgendwie noch immer das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es hat 1. genug Geld; 2. genug Arbeitsmöglichkeiten für uns.“
ME: John, Du bist eigentlich nach Amerika gekommen, um zusammen mit ‚Tony Williams Lifetime‘ ein Album aufzunehmen.
John: Das war vor 4 Jahren.
ME: Bist Du in den Staaten geblieben, weil Du von der ’scene‘ in England die Nase voll hattest?
John: Nein, eigentlich nicht. Ich schaue in erster Linie auf meine eigenen Fehler. Wenn man nämlich sehr ehrlich zu sich selbst ist, kann man feststellen, dass nicht so sehr die äusseren Umstände, sondern man selbst derjenige ist, der einen behindert, den Weg zu gehen, den man schon immer gehen wollte.