Marmorsaft und Frühling
Kazu Makino lümmelt auf der Hotelcouch und hat leichten Husten. Sie betrachtet eine Multivitammsaftnasche und lächelt. „Als wir das letzte Mal in Deutschland waren,gab es auch lustigen Saft“, ihr Blick schweift in die Ferne, „irgendwas mit Banane, sah aus wie Marmor.“Die Blonde-Redhead-Sängerin hat ein feines Gespür und Gedächtnis für Details: „Es sind die kleinen Dinge, die meine Aufmerksamkeit wecken, auf den ersten Blick unwichtige Momente, die ich einfangen möchte, weil sie im großen Gefüge unglaublich viel mehr bedeuten.“
Das siebte Album des Trios aus New York heißt 23. Nicht weil Kazu sich mit kleinen Details auseinandergesetzt hätte, die auf eine große Verschwörungstheorie schließen ließen, sondern weil dies ihre Hausnummer ist. Ihr Blick auf die Welt scheint dieser Tage verklärt und verzückt; die Melancholie, die das letzte Album misery is a butterfly durchzog, hat Platz gemacht für frühlingshafte Gedanken und Gefühle. „Seltsam, dass die Leute das alle so wahrnehmen. “ Kazu runzelt die Stirn. „Man darf meine Songs und Texte nicht allzu wörtlich nehmen. Vieles davon sind Versteckspiele. Ich wunderemich manchmal sehr, was Leute in unsere Songs hineininterpretieren. Das ist geradezu distanzlos. Als wollten sie mein Leben verein nahmen.“ Dennoch gibt sie zu, dass die schwere Zeit nach ihrem Reitunfall, die sie auf dem letzten Album verarbeitete, nun vorüber sei und mehr Platz für hübsche kleine Details bleibe.
Partner und Bandkollege Amedeo Pace sitzt auf dem Fußboden und hört zu, wirft ab und zu einen zärtlichen Blick in ihre Richtung. Er, sein Zwillingsbruder Simone und Makino bilden ein Gefiige von Vertrauen und Respekt. „Details“, nimmt er den Faden auf, „spielten bei den Aufnahmen zu 23 einegroße Rolle. Das war nicht immer einfach. „Kazu rollt die Augen und lacht: „Das ist ein verdammter Euphemismus‘. Kein Album ist uns je so schwergefallen! Man muss wissen, dass wir nie mitfertigen Songs ins Studio gehen, sondern mit Entwürfen und Ideen, die während der Zusammenarbeit wachsen. Diesmal wollten sie das anfangs einfach nicht tun. „Amedeo präzisiert: „Wir haben ziemlich viele neue Dinge ausprobiert, schon um die Arbeit für uns spannender zu gestalten. Aber manchmal haben wir mehr diskutiert als Musik gemacht.“
Interpol, die zufällig gleichzeitig im Raum nebenan aufnahmen, konnten diese Herangehensweise nicht fassen. „Die hatten jeden Ton an seinem Platz, als sie anfingen „, erinnert sich Kazu. „Die haben uns für total verrückt gehalten. Aber manchmal muss man genauer hinschauen, um zufällig was Wunderbares zu finden. Und das hat ja auch geklappt, obwohl ich zwischendurch einpaarMalam Rande der Verzweiflung stand.“
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