Manic Street Preachers


VERLUST SCHWEISST MANCHMAL auch zusammen, wofür die Manic Street Preachers das beste Beispiel abgeben. Das Verschwinden von Gitarrist Richey James mehrodei minder gut verkraftet, präsentieren sie sich auf der Bühne als stoisch in sich gekehrte Einheit. Ein für die Tournee engagierter Gast-Keyboarder stellt die einzige Verbindung zum Publikum dar, ansonsten haben sie nur sich selbst und ihre Lautstärke. Die ist beträchtlich und dient dabei auch der Klarstellung: Daß hier bloß keiner seinem Nachbarn was von Britpop ins Ohr brüllt! Die Manic Street Preachers sind eine Rockband. Manisch, direkt von der Straße und… nein, predigen tut hier und heute niemand. Höchstens sieben gesprochene Worte entschlüpfen den Lippen von Nicky Wire, James Bradfield und Sean Moore. Überflüssig zu erwähnen, daß so elende Schleimereien wie Zugaben natürlich auch nicht zur Debatte stehen. Andererseits hat das Trio auch keine Mätzchen nötig. Mit der auf dem letzten Album endgültig vollzogenen Transformation zum Rock-Act haben sich die Manie Street Preachers ein Fundament geschaffen, das keinerlei Erschütterung mehr zuläßt. Kompakt wie nur wenige andere Bands präsentieren sie ihr Programm noch ein Stückchen harscher als auf Platte. Die Songs strotzen vor Kraft, lassen aber auch die Sehnsucht nicht vergessen und besitzen einen Charme, der nun schon fünf Platten und eine ganze Menge Konzerte trägt. Da schadet es nicht, daß dieser Charme den Musikern selbst abgeht. Ihrer Musik fehlt nämlich nichts.

R.E.M. (Hamburg, Grünspan)

R.E.M. KÖNNTEN AUCH DAS MARE TRANQUIlium für ein Open Air buchen und sicher sein, daß genügend Fans einen Weg auf den Mond finden würden, um den Krater zu füllen. Etwas heimeliger dagegen ging’s im Hamburger Grünspan zu, einem charmanten kleinen Club an der Großen Freiheit-für den Normalsterblichen aber ähnlich unerreichbar, waren doch nur rührige R.E.M.-Fanclubs aus ganz Europa, großäugige Gewinner von Preisausschreiben und cocktailschlürfende V.I.P.s geladen. Der elitäre Beigeschmack der exklusiven Veranstaltung steigert sich dadurch noch zum Sodbrennen, da dies – neben ähnlichen Shows auf anderen Kontinenten – das einzige Konzert bleiben wird, das R.E.M. zur Promotion ihres aktuellen Albums „Up“ in unserem Erdkreis absolvieren. Ethisches Unbehagen löst sich aber rasch in sinnliches Wohlgefallen auf, als Michael Stipe, Peter Bück und Mike Mills nebst Begleitmusikern die schmale Bühne betreten, um mit einem halbakustischen „Losing My Religion“ ihren größten Hit gleich als Opener zu verheizen. Es muß eben nicht mit seinem Pfunde wuchern, wer tonnenweise Klassiker zu bieten hat. Auch auf eine knifflige Live-Reproduktion ihres extrem ausgetüftelten Studiosounds konnten die Herren getrost verzichten. Allein Michael Stipe -in nachtblau transparentem Hemd und mit modischem Glitter um die Augen – entfaltete im intimen Rahmen eine berückende Präsenz. Mit sparsamen Gesten und souveräner Intonation erinnerte der 38jährige daran, was einen guten Frontmann auszeichnet. Und machte nonchalant vergessen, daß er seine eigenen Lyrics von Blättern ablesen mußte, die auf einem Notenständer neben dem Mikrofon am Bühnenrand bereitstanden. Mangelnde Vorbereitung war R.E.M. an diesem Abend dennoch nicht vorzuwerfen, zu bestechend, zu mitreißend gestaltete sich die Show. Was großteils auf die durchdachte Songauswahl zurückzuführen war, die „Walk Unafraid“, „Daysleeper“, „The Sidewinder Sleeps Tonight“ oder“Sad Professor“ in einen flüssigen Zusammenhang setzte und die rein handwerklichen Fähigkeiten dieser Band eindrucksvoll offenbarte:“Lotus“ geriet zum mitreißenden Kracher, dessen tighte Interpretation selbst der dickarschigen „Monster“ gut zu Gesicht gestanden hätte. Und Stipes gefühlige Darbietung (mit weich gestimmter Akustikgitarre) des quasi-Hidden Track der neuen Platte ermunterte gar die unvermeidlichen Feuerzeugschwenker im Publikum zu peinlichem Aktivismus – von dem halben Dutzend angestaubter Tasteninstrumente jedenfalls war erfreulich wenig zu hören. Mit zunehmender Laune ging schließlich auch die erste Reihe auf Tuchfühlung mit dem Star – und provozierte einen bizarren Zwischenfall, als Souvenierjäger eines der Textblätter entwendeten: Die Show gerät ins Stocken, Stipe verhandelt am Bühnenrand mit den Bösewichten, unter denen inzwischen selbst ein Streit um die Trophäe ausgebrochen ist. Erst als Peter Bück der Kragen platzt und er sich anschickt, das Blatt eigenhändig zurückzuerobern, kann Michael Stipe zwei zerknüllte Fetzen wieder in Empfang nehmen. Bedankt sich. Streicht sie glatt: „Man On The Moon“.