Madrugada
Köln, Live Music Hall
Stilsicher zwischen großem Pathos und einer gerade gewachsenen Rockwurst: Madrugada und ihre norwegischen Versionen von Sonnenuntergängen jedweder Art.
Dass der hohe Dom zu Köln ein Kleinod gotischer Baukunst ist, kann man bei einem Großteil der Menschheit als bekannt voraussetzen. Wohl selten aber wurde dieses Stück beeindruckender Architektur so schmucklos und zugleich treffend beschrieben wie an einem arschkalten Dezemberabend in der Kölner Live Music Hall. „Schöne Kirche habt ihr da“, sagte Sivert Hoyem, und bevor auch nur der Verdacht einer kleinen Rede aufkommen konnte, setzte der Sänger von Madrugada schon zur verbalen Punktlandung an: „Ich bin heute Nachmittag hochgestiegen. Tolle Aussicht von oben.“ Mit der Musik der norwegischen Band verhält es sich ähnlich wie mit der individuellen touristischen Sicht der Kirchenangelegenheit: Auch sie ist weitgehend schnörkellos und verzichtet auf unnötigen Tand. Die Riffs entkernter Rocksongs drängeln sich bei Madrugada ohne Rücksicht auf Verluste hemmungslos nach vorn und folgen einem simplen Dreiklang: Amps aufdrehen, Hall drauflegen, krachen lassen – und bei Midtempo-Nummern wie „Seven Seconds“, einem der Songs des aktuellen Albums „Grit“, fräst sich der Vertrauen erweckende Bariton von Sivert Hoyem unbeirrt seinen Weg. Dass man dabei hin und wieder an den Gun Club, die Doors und Iggy Pop zu Stooges-Zeiten denkt – geschenkt. Die Zitierwut von Madrugada hält sich in Grenzen, die Band klingt trotzdem eigen. Am besten sind Madrugada, wenn sie ihren Stoizismus auf die Spitze treiben und stilsicher zwischen Rockattitüde und getragen Balladeskem balancieren. Bei „Vocal“ vom Debütalbum „Industrial Silence“ ist das der Fall, und auch bei „Majesty“, einem Song vom aktuellen Album – und zwar immer so, dass Madrugada die Klaviatur medodramatischer Steigerungen aus dem Effeff beherrschen, aber nie in Gigantomanie abdriften. www.madrugada.net