Madonna – Mit Kalkül Zur Dicken Kohle


Sie hat's geschafft. Laut "Forbes" war Madonna 1990 erstmals die bestverdienende Entertainerin des Jahres. Daß sie dabei 39 Millionen Dollar kassierte, ist nicht mal sensationell - wie die ausgebuffte Geschäftsfrau ihr Imperium dirigiert, dürfte indes den wenigsten bekannt sein.

Wenn es um Deals und die Finanzierung ihrer Unternehmen geht, hat sie alles fest im Griff“, weiß Disney-Chef Jeff Katzenberg, der ihren Geschäftssinn bei den Dreharbeiten zu „Dick Tracy“ kennenlernen durfte.

„Nichts läuft, ohne daß sie es abgesegnet hat. Sie benutzt Manager und Anwälte nur als Berater, um sich dann ihr eigenes Urteil zu bilden. Ganz im Gegenteil zu Kollegen, die sich das Heft aus der Hand nehmen lassen. „

Anwalt Harry Scolinos, der anläßlich eines Prozesses Einblick in ihr Imperium nehmen konnte, sagt es noch deutlicher: „Als Geschäftspartner würde ich sie jedem Harvard-Absolventen vorziehen. Was ihr an formaler Ausbildung fehlt, macht sie durch ihre Bauernschläue mehr als wen.“

Doch so respektabel auch ihre geschäftlichen Qualitäten sind, so wenig Interesse zeigt Madonna daran, diesen Aspekt in den Medien breitzutreten. Als die Business-Bibel „Forbes“ um Einblick in ihre Firmengruppe bat, lehnte sie nicht nur rigoros ab, sondern verhängte auch über alle Mitarbeiter eine strikte Informationssperre. Ein Geschäftspartner, der ohne Madonnas Wissen ein (positives) Statement zu ihren Business-Talenten abgegeben hatte, rief am folgenden Tag geradezu panisch bei „Forbes“ an. um die Aussage rückgängig zu machen: „Ich könnte viel Arger bekommen. Ich habe Familie. „

Was in die Öffentlichkeit kommt, bestimmt Madonna definitiv selbst. Ihr Erfolg basiert nicht zuletzt darauf, daß sie die Klaviatur der Medien so virtuos beherrscht. Mit traumwandlerischer Sicherheit baut Madonna stets neue, kontroverse Images auf, die sie mit ebenso großer Finesse in die Medien lanciert. 1983 war sie der Punk mit baumelndem Kruzifix, 1984 das „Boy Toy“ im weißen Mieder. 1985 das „Material Girl“ auf den Spuren von Marilyn Monroe, 1986 das unschuldige Mädchen, 1987 die mondäne Blondine, 1988 die verführerische Brünette, 1989 der religiöse Freigeist, 1990 die futuristische Domina.

„Während sich die Autohersteller vergeblich bemühen, die Konsumenten mit neuen Modellvarianten zu kitzeln“, konstatierte ein befreundeter Entertainment-Manager, „präsentiert sie jedes Jahr ein brandneues Modell mit allen nur erdenklichen Optionen und Extras.“

Die Geheimwaffe ihrer Vermarktungsstrategie ist die gezielt eingesetzte Kontroverse. Ob bei religiösen oder sexuellen Tabus — Madonna legt zielstrebig die Hand in offene Wunden und baut dabei auf die Mechanismen des Generationenkonflikts: Sollen sich doch die Alten echauffieren! Sie zählen ohnehin nicht zu ihren potentiellen Kunden. Das jugendliche Zielpublikum hingegen kann sich dadurch nur noch mehr mit ihr identifizieren.

Wer bei diesem provokativen Drahtseilakt nicht genauso viel Kaltschnäuzigkeit mitbringt wie sie, kommt unweigerlich unter die Räder. Pepsi Cola durfte 1989 fünf Millionen Dollar abschreiben, weil man Madonnas publizistischen Crash-Kurs völlig falsch eingeschätzt hatte. Pepsi hatte nicht nur fünf Millionen Dollar Gage gezahlt, sondern auch das millionenschwere Video zu „Like A Prayer“ finanziert, mit dem die Kooperation gestartet wurde. Sollte Madonna wirklich nicht gewußt haben, daß die „blasphemischen“ Passagen des Videos für eine Bieder-Firma wie Pepsi völlig untragbar waren? Kaum schlugen die Wellen des Protestes ins Pepsi-Headquarter. ließ man die heiße Kartoffel schleunigst fallen. Die fünf Millionen allerdings waren futsch.

Dem Schuhhersteller Nike erging es kaum besser. Im Herbst ’89 begannen Verhandlungen mit dem Ziel, eine neue Kollektion von Madonna „endorsen“, d.h. unterstützen zu lassen. Die Gage von 4.25 Millionen Dollar war weniger das Problem des halbjährigen Pokers — eher die Tatsache, daß Madonna ihr Engagement auf ein absolutes Minimum reduziert sehen wollte. Oder — wie es bei Nike hieß: „Sie wollte das Ding nicht anziehen. „

Nachdem die Verhandlungen ohne Ergebnis abgebrochen worden waren, setzte sich Madonna persönlich ans Telefon und versuchte den Nike-Vorsitzenden Philip Knight umzustimmen. Als sich auch das als fruchtlos erwies, waren die Anwälte am Zug: Sie sollten die 4,25 Millionen einklagen, obwohl es zu keinem definitiven Deal, geschweige denn zur Produktion eines Commercials gekommen war. Diesmal allerdings zog Madonna den Kürzeren. Schmollend zog sie sich in ihr Headquarter in den Hollywood Hills zurück. Dort hat sie für ihre Firmen-Gruppe (Boy Toy Inc., Siren Films, Slutco etc.) eine hypermoderne Schaltzentrale aufgebaut, die den Vergleich mit professionellen Management-Firmen nicht zu scheu¿

en braucht. Multi-Line-Telefone und andere Hi-Tech-Errungenschaften erlauben es ihr, die geschäftlichen Ambitionen voll auszuleben. Business-Telefonate nehmen pro Tag mehrere Stunden ein, gleichzeitig sind am Morgen drei Stunden für die körperliche Fitness reserviert. Werden kreative Leistungen von ihr verlangt, kann sie — so Insider — wie auf Knopfdruck umschalten. Worte wie Leerlauf oder gar Zeitvertreib tauchen in Madonnas Vokabular gar nicht erst auf.

Der einzige weiße Fleck auf ihrer Karriere-Landkarte ist und bleibt der Film. Nachdem sie einige herbe Film-Flops verkraften mußte, konnte sie mit „Dick Tracy“ erstmals Kritikerpunkte und volle Kassen verbuchen. Wie wichtig ihr Hollywood ist, beweist schon die Tatsache, daß sie sich damit einverstanden erklärte, für den wöchentlichen Mindestlohn von 1400 Dollar vor die Kamera zu treten (ohne allerdings zu versäumen, sich eine „percentage“ auf das Einspielergebnis einräumen zu lassen — was rund fünf Millionen Dollar einbrachte). Noch mehr muß ihrem Ehrgeiz geschmeichelt haben, daß Woody Allen sie nun kurzfristig für einen Film verpflichtete. Kein Wunder, daß der Freiraum für Privates zusehends geschrumpft ist. Hatte sie früher Boyfriends wie Mark Kamins, Jellybean Benitez, Sean Penn oder Warren Beatty als Steigbügelhalter ihrer Karriereleiter benutzt, so sind derartige Umwege inzwischen auch gar nicht mehr notwendig. Madonna hat es geschafft — wer sollte sie jetzt noch protegieren können?

Ihre letzte amouröse Wahl fiel denn auch promot auf einen Un-Prominenten, der ihr zumindest geschäftlich keinen weiteren Lustgewinn verschaffen wird. Ob Model Tony Ward allerdings dieser ehrgeizigen Frau das Wasser reichen kana steht auf einem anderen Blatt. Vorgänger Warren Beatty jedenfalls wünschte viel Glück: „IhrBoyfriend zu sein ist ein 24-Stunden-Tag.“