„Mad Ferrit“


Vom Modegag zur Zukunft der Musik: Der schwere (Ein-)Stand des BRITPOP.

„I was born too late“, singen Cast, „we’re gonna live forever“, singen Oasis. Zwei Zitate, die den Werdegang des Britpop im ME ganz gut umklammern. Die späte Geburt (some might say: die zu späte Geburt) als Preis für das ewige Leben. Lange Zeit hält das Festland, und somit auch der ME, der Welle aus England noch einiges entgegen. Nicht zu Unrecht. Denn trotz aller späteren Glorie darf man nicht vergessen: Zum Jahrzehntwechsel spült diese Welle auch noch ziemlich viel Müll heran – The Wonder Stuff, The Soup Dragons … da durfte man schon mal skeptisch sein. Die im Juli 1993 erschienene ME-Geschichte „London Falling“ mit ihrer Kernbehauptung »Die Zeit der ,British Invasions‘ ist längst vorbei. Seit Jahren kommt trotz des Mega-Hypes britischer Magazine kein wichtiger Musik-Trend mehr aus UK“ mag aus heutiger Sicht altväterlich anmuten. Und ein

„Nichts als Hype“ betitelter

Infokasten über neue britische „Talent-Lücken“ wie Happy Mondays, Primal Scream, Manie Street Preachers, der einem „Das waren Hits“ genannten Kasten mit den „wahren“ Talenten Englands, Beatles, Elton John, Sex Pistols etc., gegenübergestellt wird, ist 1993 sicher etwas ignorant. Legt aber auch eine Eindimensionalität nahe, die es so nicht gibt: Suedes Debüt wird auf der Höhe seiner Zeit mit fünf Sternen gefeiert. Auch der damals in England verkannte Geniestreich von Blur, MODERN LIFE IS Rl’BBISH, kommt im ME gut weg: „kompakte Popperlen am laufenden Band“.

Nachfolger PARKUFE wird dann zwar Letzter im „Krieg der Sterne„, und THE GREAT ES-CAPE („nitr noch Durchschnittliches“) muss sich in einer Doppelbesprechung Oasis‘ (WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY? 3:5 geschlagen geben. Aber immerhin: fünf Sterne für Oasis! DEFINITELY MAYBE hatte man auch schon gefeiert als „klassisches Rock-Album ohne überflüssige Schnörkel“. Dann noch Lobpreis für Supergrass‘ Debüt:

„die mit Abstand erfrischendste und kurzweiligste Popband seit langem“. Mit wachsender musikalischer Qualität steigt auch die Begeisterung der ME-Redaktion. Eilig wird im Dezember 1995 eine Tabelle zum Thema „Die Qual der Wahl – Eine längst überfällige Expedition in Englands Hype-Dschungel: das große Lexikon des Britpop“ nachgeschoben. 20 Bands werden dann in Bezug auf ihre Perspektiven analysiert; Supergrass hätten die Erfolgsaussichten von Superstars, Blurs Zukunft sei „absolut rosig“, und über Suede heißt es: “ They Might Be Giants. „

1996 markiert den endgültigen Wendepunkt: Der mit dem Slogan „Britpop jetzt endlich auch als Film“ beworbene „Trainspotting“ wird Film des Monats, und zum ersten Mal prangt eine Band dieses Genres auf dem Titel: die zu jenem Zeitpunkt eine komplette Generation Engländer mit der rhetorischen Frage „Are you mad ferritf“ zur Ekstase treibenden Oasis. BE HERE NOW wird Platte des Monats. 1997, zu Zeiten von The Verves DK-BAN HYMNS („Groß. Unfaßbar. Ein Wunder.“): Titelstory „Wz?sind die beste Band der Welt“.

1998 ziert Radioheads Thom Yorke erstmals das ME-Cover (nachdem OK COMPUTER noch so lala mit vier Sternen besprochen wurde): „Seiner Band gehört

die Zukunft.“ Später Ruhm

auch für Blur: 13 ist 1999 Album des Jahres. Suede umarmt man dann etwas übertrieben fest: Die Veröffentlichung ihres eher üblen HEAD MIJSIC genügt als Anlass für eine Coverstory (Heft 6/99, übrigens zwei Ausgaben nach dem ersten Blur-Titel). Der Leser moniert: “ Leider kommt das Ganze fast sechs Jahre zu spät, denn diese Band hat sich längst überlebt.“

Während des Vertassens dieser Zeilen twittert Noel Gallagher, er habe Oasis im Streit verlassen. 15 Jahre haben sie dagegen angesungen. Aber die Ewigkeit war auch ihnen nicht vergönnt.