Lyle Lovett


Die alte Lagerfeuer - Romantik und der Yankee-Doodle sind Ihm fremd. Mit neuen Ideen mische der Texaner Lyle Lovett die amerikanische Country-Szene In Nashwllle mächtig auf. Jörg Feyer traf den Gitarren-Rebell, der so gern Cowboy geworden wäre.

Hast du je die Fernsehserie .The Lone Ranger‘ gesehen?“ Lovett nippt an seinem Kaffee und klärt mich über die liebste Samstagnachmittagbeschäftigung seiner Kindheit auf. „Der Lone Ranger ist ein geradezu mythischer Cowboy-Held. Weil er eine Maske trägt, nennen sie ihn den Maskierten Mann‘. Er trägt einen weißen Hut, hat zwei Pistolen und benutzt grundsätzlich nur silberne Kugeln. Einen Song wie ,If I Had A Boal‘ habe ich aus dieser kindlichen Perspektive geschrieben, so unter dem Motto: ,Was möchte ich gern sein, wenn ich erstmal richtig erwachsen bin.'“

Jetzt, mit 31 Jahren, ist der Texaner erwachsen – und doch nicht Cowboy, sondern Country-Sänger geworden. Oder zumindest so was ähnliches, denn seine einmalige Mixtur zwischen Jazz, R & B und Country, seine blitzgescheiten Texte voller Ironie und Humor – das ist ganz gewiß nicht der Stoff, den die Mühlen in Nashvilie gewöhnlich mahlen. Aber Klein in Texas, wo Lovett nach wie vor residiert, ist ja auch nicht mehr das, was es einmal war. Unbarmherzig – der 70er Öl-Boom wollte es so – hat sich die Metropole Houston ins Umland vorgefressen und das von Lyles deutschstämmigem Ur-Ur-Großvater gegründete Kaff in eine typische US-Suburbia verwandelt. „Es gibt“, sagt Lovett, „in meinem Leben diese Mischung aus städtischen Einflüssen und dem Versuch, dem Land doch noch ein bißchen treu zu bleiben. Diese Geschichte von den Country-Sängern, die irgendwo in den Bergen aufwuchsen und jeden Samstag nur die , Grand Ole Opry‘ im Radio hören konnten – das ist einfach vorbei.“

Schon 1970 spielt Lovett seine ersten Club-Gigs, doch erst 1984 wagt er sich erstmals mit einem Demo nach Nashvilie. Die Musik als Lebensunterhalt? Lyle mochte nicht recht dran glauben und schreibt sich für ein Journalismus-Studium ein.

Bevor er selbst zur Feder greift, stellen texanische Songwriter wie Guy Clarke. Townes Van Zandt oder Michael Murphy den Löwenanteil seines Repertoires. Aber Lovett läßt sich auch vom Blues eines Robert Johnson oder Lightnin‘ Hopkins inspirieren und entdeckt Interpreten, die nur ihre eigene Kategone kennen: Randy Newman und Tom Waits. „Ich dachte einfach“, erklärt er die Zweifel seiner langen Anlaufphase, „daß meine Stimme nicht typisch genug für das ist, was tagtäglich im Radio läuft. Ich fühlte mich einfach nicht als ,richtiger‘ Country-Sänger, aber ich halte ein paar gute Country-Songs und dachte, daß sich dafür ein paar Leute interessieren könnten.“

Obwohl Lovett feststellt, daß der frische Wind der Jahre ’84/’85 in Nashvilie schon wieder verpufft ist, plagen ihn, anders als etwa Nanci Griffith oder Steve Earle, keine Abwanderungsgelüste. „Ich habe es nie bereut, meine Basis in Nashvilie zu haben. Ich genieße hier in kreativer Hinsicht völlige Freiheit.“

Und die weiß er in seinen Songs weidlich zu nutzen. Er überrascht mit Blickwinkeln, die ebenso absurd wie zutreffend sind. Man nehme etwa „I Married Her Just Because She Looks Like You“ vom inzwischen dritten Album LYLE

LOVETT AND HIS LARGE BAND musikalisch eine eher konventionelle Country-Nummer, textlich aber ein meisterhaftes Vexierspiel zwischen der Frau, die Mann liebt, und der, die Mann haben kann.

Lovetts für die Damenwelt nicht immer schmeichelhafte Frauen-Obsession ließ den „Rolling Stone“ mutmaßen, er könne für das andere Geschlecht eine ähnliche Rolle einnehmen wie Randy Newmann (mit seinem „Short People“) für die Kleinwüchsigen dieser Welt. Das fände Lovett zwar „furchtbar“, möchte sich aber als Songschreiber „nicht darum kümmern müssen, daß ich bloß niemandem ans Bein pinkle.“