Liz Phair


Mit ihrer frechen Vergangenheit hat Liz Phair gebrochen. Eine dicke Lippe riskiert sie aber noch immer.

Beim letztjährigen Lilith-Fair-Festival wirkte sie wie ein Fremdkörper: Eine zierliche junge Frau mit viel Sex-Appeal und provokanten Rock-Songs, die so gar nicht in das feministisch angehauchte Konzept von Sängerinnen wie Sarah McLachlan oder Jewel passen wollte. „Das sind Diven. Damit habe ich nichts zu tun“, meint denn auch Liz Phair. Daß sie dennoch den Opener für die neuen Powerfrauen abgab, war pure Ironie. Denn ohne Frau Phair wären Frauen in der Rockmusik wohl immer noch bloß nette Kleiderständer. Sie war es, die die männliche Dominanz mit voller Kraft durchbrach, die sich als Frau genau so gut daneben benehmen konnte wie die Gebrüder Gallagher oder Marilyn Manson. Auf ihren ersten beiden Alben, „Exile In Guyville“ und „Whip-Smart“, ging es um Sex in allen erdenklichen Lebenslagen. Und weil die adrette Liz wußte, wovon sie sang, wurde sie zum Sprachrohr der Mädels und Sex-Symbol der lungs. Sie war das erste Pin-up-Girl unter den Riot-Girls, und diesen Ruhm genoß sie in vollen Zügen: Sie soff, sie rauchte, sie hatte Spaß und schoß verbale Pfeile ab, wo und wann immer sie nur konnte. „Wenn du mich von hinten nimmst, können wir zusammen fernsehen“, sang sie auf ihrem letzten Album aus dem (ahr 1994, „Whip-Smart“, das sie endgültig zum Pop-Star machte. Davon will die 31 jährige aus Chicago heute nichts mehr wissen. Mehr noch: Sie bezeichnet ihre Frühwerke als „bullshit“, distanziert sich vom Image des frechen Luders und schüttelt angewidert mit dem Kopf, wenn sie an einstige Exzesse denkt. „Damals ging es mir einfach beschissen. Ich habe mich in Typen verliebt, die sich nicht für mich interessierten. Ich wollte unbedingt Teil einer Szene sein und jede Menge aufregende Dinge erleben. Also habe ich mich in Phantasien gestürzt und diese ausgelebt.“ Doch im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die gar nicht genug Sex, Macht und Geld kriegen können, wurde es Liz sehr schnell langweilig. Sie zog sich zurück, wurde schwanger, bekam Sohn Nicholas und änderte ihren Lebensstil. „Wenn du schwanger bist, solltest du natürlich weder Kaffee trinken noch Drogen nehmen – du wirst so fürchterlich clean, daß es schon weh tut. Also habe ich jede Menge esoterische Bücher gelesen.“ Drei Jahre später ist die große Pionierin Liz Phair nur noch eine ambitionierte Sängerin unter vielen. Und sie selbst erhebt mit ihrem neuen Album („Whitechocolatespaceegg“) auch keinen größeren Anspruch. „Ich habe einfach keine Lust mehr, dieses heiße Indie-Rock-Chick aus gutem Hause zu sein, das lauter schmutzige Sachen sagt.“

Obwohl sie jetzt leisere Tone anstimmt und mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild, ihre Frisur und ihre Kleidung legt, hat doch ein Teil der „alten“ Liz Phair überlebt: Diese Frau ist immer noch ein Vulkan, auch wenn sie momentan etwas zwischen den Stühlen sitzt und nicht genau weiß, in welche Richtung sie eigentlich gehen möchte. „Meine Plattenfirma will mich als Sprachrohr für Frauen zwischen 25 und 35 vermarkten, dabei habe ich doch vor allem männliche Fans. Ich erinnere die Plattenleute ständig daran, aber sie kapieren es einfach nicht. Das sind 45jährige Fettsäcke, die mehr Ahnung vom Golfen als von der Musik haben.“ In den USA werden die Aufnahmen von Liz Phair durch den Branchenriesen Capitol/EMI vertrieben. Doch Frau Phair blockiert Promotion-Aktivitäten, geht nur noch sporadisch auf Tournee und entzieht sich dem Trubel, wo sie nur kann: „Ich habe keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Plattenleuten. Ich produziere etwas, das sie verkaufen können, aber nicht zwangsläufig müssen. Und wenn sie „Whitechocolatespaceegg‘ nicht mögen, ist mir das auch egal.“