Lena Dunham im Interview: „Mein Buch ist keine Sex-Beichte. Das passiert Frauen jeden Tag“
Lena Dunham, Schöpferin und Star der gefeierten Normcore-Serie „Girls“, ist eine der wichtigsten Chronisten weiblicher Gegenwart. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben, wie es sich anfühlt, heute eine junge Frau zu sein. Ein Gespräch über Selbstentblößung und feministische Slogans.
Aus dem Jahresrückblicksheft 2014 des Musikexpress: Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Lena Dunham im Interview über Genderpolitik, Sexbeichten und ihr neues Buch „Not That Kind Of Girl“.
ME: Du hast sicher von dem Video gehört, das unlängst im Netz für Furore sorgte: Eine Frau geht durch New York und wird mehr als hundert Mal angemacht.
Lena Dunham: Ich habe es noch nicht angeschaut, aber es führt sicher sehr gut vor, wie sehr diese Anmachversuche nerven können. Wobei ich mir ja mal mächtig Ärger einhandelt habe, als ich zugab, gegen ein paar Pfiffe und Sprüche gar keine Einwände zu haben. Das ist heutzutage nicht gerade eine korrekte genderpolitische Einstellung.
Man kann auch beim besten Willen nicht behaupten, dass du dich besonders ins Zeug legst, von allen geliebt zu werden. Sprechen wir über dein neues Buch „Not That Kind Of Girl“: Ich habe den Eindruck, dass das Buch über deine konkrete Situation und Altersgruppe hinausweisen möchte.
Das war die Absicht. Ich hatte zumindest die Hoffnung, einige grundlegende Lebenswahrheiten zu erzählen. Und wenn nicht, nun ja, dann können sich die Leser zumindest über ein paar meiner peinlichsten College-Erlebnisse amüsieren.
Wenn du ein paar besonders bizarre Ratschläge der legendären „Cosmopolitan“-Chefredakteurin Helen Gurley Brown zitierst, dann scheinst du dich über die Vorstellung lustig zu machen, dass Frauen anderen Frauen Ratschläge geben. Wo doch Männer auf diese Art von Lebensberatung völlig verzichten.
Richtig. Ich lese zwar keine Männer-Magazine, kann mir aber nicht vorstellen, dass Ratgeber-Kolumnen dort sonderlich populär sind. Die Überzeugung, anderen Menschen gute Ratschläge geben zu können, wirkt ja tatsächlich herablassend. Dafür sind wir alle zu unter- schiedlich. Andererseits hat es durchaus seinen Reiz, deine eigenen Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen.
Du nennst die künstlerische Arbeit deiner Mutter „Die Kunst der delikaten Unverblümtheit“ – was deine eigene Arbeit ebenfalls ganz gut beschreibt. Wie war es für dich, über „ delikate“ Themen zu schreiben, wie ein Besuch beim Frauenarzt oder eine traumatische sexuelle Erfahrung?
Für mich bedeutet Schreiben nicht zuletzt, diese gelernte Form von Schamgefühl in die Mülltonne zu treten. Im ganzen Buch gibt es nicht eine Erfahrung, bei der ich das Gefühl habe, dass Frauen das nicht nachvollziehen könnten – okay, mal abgesehen davon, nackt im Fernsehen zu sein. Dann lese ich in der Zeitung: „Lena Dunhams schockierende Sex-Beichte“. Das ist keine schockierende Beichte! Das passiert Frauen jeden Tag.
Du hast einmal gesagt, dass die Nackt-Szenen in der Serie für dich nichts Besonderes seien – weil du bei den Aufnahmen das Sagen hast. Wie wichtig ist diese Kontrolle?
Die ist extrem wichtig. Natürlich gibt’s haufenweise Situationen, wo man nicht der Boss ist – und trotzdem respektiert wird. Aber dabei würde ich mich mit einem anderen Regisseur nicht wohlfühlen.
Erzähl uns etwas über die Hintergründe zu deinen T-Shirts mit dem „Planned Parenthood“-Slogan.
„Planned Parenthood“ war mein Partner auf meiner USA-Buchtour. Zum Glück habt ihr hier in Europa fortschrittlichere Vorstellungen, was Abtreibung, Geburtenkontrolle und Vorsorgeuntersuchungen für Frauen angeht – man muss nicht gegen Windmühlen kämpfen wie in Amerika. Die Shirts waren so was wie meine offiziellen Tour-Shirts.
Hast du keine Skrupel, Feminismus und Frauen-Fragen auf dem Umwegüber T-Shirts und Promi-Status zu popularisieren?
Wenn Feminismus eine Marke werden muss, damit er unsere Kultur nachhaltig verändern kann, dann werde ich mich nicht beklagen.
Lena Dunhams Buch „Not That Kind Of Girl“ ist am 7. Oktober 2014 im S.Fischer-Verlag erschienen.