Kunst oder Kitsch – an Rosenstolz scheiden sich kritische Geister. Das Publikum jedoch liebt die zwei Berliner.


Berlin-Treptow. Ein Ausflugslokal an der Spree. Neben obligatorischem Berliner Szene-Chic strahlt der Laden eine gehörige Portion UFA-Flair aus. Knarrender Parkettboden, gediegene Holzmöblierung, an den Wänden gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien verdienter Vorkriegsfilmgrößen. Ein passendes Ambiente für Rosenstolz, die mit ihrer Musik ebenfalls eine ganz eigene Verbindung aus modernen Popelementen und nostalgischer Schlagertradition – abgeschmeckt mit einem Schuss Marianne Rosenberg – geschaffen haben. Die aktuelle Doppel-Maxi-CD „Es könnt‘ ein Anfang sein“ stellt das mit ihren acht Songs eindrucksvoll unter Beweis. AnNa R. (30) und Peter Plate (32), nach zehn Jahren als Rosenstolz und fast zwei Millionen verkaufter Alben zweifellos der heimischen Pop-Elite zugehörig, sitzen in einem Nebenraum. Ein schillerndes Duo: AnNa, offenherziges Vollweib und Diva mit Schnauze, raucht wie ein Schlot. Und Peter, zartgliedriger Feingeist und musikalischer Kopf des Unternehmens, desgleichen. Dazu der Zigarillo schmauchende Chronist – viel Rauch um nichts also. Oder?

Die einen halten eure Musik für Schlagerkitsch, die anderen hören darin leitgemäße Chansons mit Niveau. Nervt diese Debatte nach zehn Jahren noch?

PETER: Eigentlich nicht mehr. Wir sind es ja schon lange gewohnt, dass sie uns zerreißen. Auf der anderen Seite gibt uns unser wachsendes Publikum Recht. Nach der letzten Tournee habe ich den dicken Presseordner mit all den Konzertkritiken meiner Oma geschenkt – ich hatte einfach keine Lust, das alles zu lesen.

ANNA: Von mir aus können die uns so viel verreißen, wie sie wollen, oder auch im Rundfunk ignorieren-unser Publikum können sie uns nicht wegnehmen. Und das hat uns mit dem letzten Album auf Platz Eins gekauft. Da empfinden wir natürlich auch eine gewisse Schadenfreude für all die schlauen Kritiker. Wir können schließlich nichts dafür, wenn die nicht verstehen, dass uns das Publikum offenbar sehr wohl mag.

Trotzdem: Verletzt es die Künstlerseele, wenn euch die Anerkennung in den Feuilletons versagt wird?

PETER: Wenn die FAZ schreibt, dass Anna wie ein Elefant über die Bühne stampft, frag‘ ich mich ernsthaft,ob das seriöser Journalismus ist.

Vielleicht war’s ja eine Sinnestäuschung?

ANNA: Wer weiß? Aber lustig war’s auf alle Fälle. Man muss über so etwas lachen. In diesem Artikel kam ja jeder einzelne Musiker schlecht weg. Der Mann war, glaub‘ ich, gar nicht im Konzert – det macht aber nischt, find‘ ich. Ansonsten hab‘ ich absolut kein Problem mit seriöser Kritik, die kann schließlich auch helfen.

Musikalisch macht ihr einen großen Bogen um angesagte Elemente, etwa aus dem HipHop – stattdessen arbeitet ihr mit sehr traditionellen Mitteln. Warum?

PETER: Meine Devise ist ganz einfach: Ein Lied muss mit nur einer Gitarre und einer Stimme funktionieren. Der Rest ist Verpackung. Und diese Einstellung wird bei mir immer stärker-man muss es aufs Wesentliche reduzieren können.

ANNA: Na ja, und der persönliche Geschmack kommt auch hinzu: Wenn Peter keinen Metal hört, warum sollte er ihn spielen? Außerdem kann ich nicht rappen, obwohl mir vieles vom deutschen HipHop sehr gut gefällt. HipHop ist nichts für mich, ich könnte auch diese spezielle Attitüde nicht übernehmen, die ist mir eher fremd.

Was hört ihr denn privat?

PETER: Ich stehe im Moment sehr auf Travis.

ANNA: Bei mir läuft Nikka Costa, Radiohead und Air.

Inzwischen gehört ihr zu den Großverdienern der Branche. Wenn ihr nicht gerade irgendwelche Bauherrenmodelle in den Sand gesetzt habt,…

ANNA: (lacht lauthals) Nee, nur Aktien, und das ohne Ende.

…müsstet ihr inzwischen reich sein.

PETER: Ich hab’den größten Teil meiner Knete in der letzten Zeit verloren. ANNA: Ich auch.

PETER: Das ist ein komisches Gefühl, weil ich eigentlich eine ganze Menge hatte. Aber das kriegt ja auch dein Umfeld mit. Und deshalb ist das für mich im Moment fast eine Erleichterung, zumal ich eh nicht so am Geld hänge. Ich hab‘ kein Auto, keinen Führerschein, kein-gar-nichts.

ANNA: Klar, vielleicht will ich mir irgendwann mal eine Wohnung kaufen. Jetzt kann ich’s halt nicht. Na und? Dann wart‘ ich damit halt noch. Das stört mich nicht.

Für einen neuen Fummel von H&M sollte es aber gerade noch reichen, oder?

ANNA: So gerade (lacht).

Ganz indiskret: Wo ist denn das viele Geld geblieben? Verjubelt?

ANNA: Ganz und gar nicht! Dazu neigen wir glücklicherweise beide nicht. PETER: Ich habe versucht, eine schwul-lesbische Plattform im Internet zu etablieren, so eine Art Zeitung. Und das ist schiefgegangen, obwohl wir sehr große Besucherzahlen hatten. Da hab‘ ich tierisch viel Geld reingebuttert – und das ist jetzt weg.

ANNA: Tja, und wahnsinnig viel ist mit Aktien draufgegangen. Außerdem hab’ich noch ein paar, na ja, private Darlehen gegeben (lacht laut), aber das ist ja in Ordnung. Hinzu kommt, dass ich sehr gerne Freunde beschenke.

Müssen wir uns jetzt Sorgen machen?

ANNA: Nein, nein, das Hungertuch ist noch nicht in Sicht.

PETER: Eigentlich bin ich mit dem Stand der Dinge ganz zufrieden. Aber um das hier jetzt mal auf ein ernsthafteres Niveau zu bringen: Es ist ja nicht so, dass uns die Plattenfirma immer alles bezahlt. Wenn wir zum Beispiel zu jeder Single ein Video drehen wollen, dann müssen wir das auch selbst finanzieren. Genauso unsere Tournee.

Lohnt die ganze Videodreherei eigentlich?

PETER: Wahrscheinlich nicht, obwohl ich es langfristig für die Imagepflege sehr wichtig finde. Aber letzten Endes ist das alles doch sowieso nur ein großer Spaß.

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