Kraftwerk – Hamburg, Musikhalle


Spannung auf beiden Seiten. Im Kraftfeld Gelingt es, vollkommen synthetisch erzeugte Töne einem interessierten, neugierigen Publikum mit der für Live-Gigs so notwendigen Energie und Intensität über die Rampe zu bringen – so fragen sich viele der überwiegend sehr jungen Fans in der ausverkauften Musikhalle. Und die Kraftwerker beschäftigt die Frage nach der Reaktion auf ihre Aktionen.

Sieben Jahre haben die Düsseldorfer nicht mehr auf einer deutschen Bühne gestanden. Bei fast allen Künstlern würde man von einem Comeback-Versuch sprechen – nicht so bei Kraftwerk, denn sie waren mit ihrer extremen Musik immer präsent, schoben sich mit ihren Platten in unser Gedächtnis, schrieben deutsche Musikgeschichte, schreiben sie immer noch.

Kraftwerk-Musik ist der Versuch einer geistig-musikalischen Aufarbeitung unserer Gegenwart, der Technik, der Menschen, der (Wieder)-findung unseres Ich-Seins. Kraftwerk sind nicht die Erfinder der Computertechnik schlechthin, sie benutzen sie, machen sie für ihre Philosophie gangbar. Der Mensch beherrscht die Technik. Nicht umgekehrt. Und was bei oberflächlichem Betrachten nach billigem Geschäft, nach blanker Show aussieht, ist für Hütter & Co. der Versuch, in neue, andere Dimensionen des Denkens und des künstlerischen Handelns vorzudringen, sich eine eigene (Über-)Lebens-Philosophie aufzubauen. Die, die Kraftwerk nicht wirklich kennen, können auch nicht erkennen, daß die vordergründig schlichte, einfache Pop-Musik Teil des Konzeptes zum Begreifen dieses vielschichtigen Mediums Wellen/Töne/Bilder/Emotionen ist.

Farben werden auf Tag/Nacht schwarz/weiß reduziert. Ein gleichschenkliges Dreieck, vier riesige TV -Bildschirme, karge sowie plastische Filme werden sparsam zu den Songs eingespielt, die in ihren Basis-Tracks vom Band ablaufen, jedoch immer durch das verblüffend homogene Live-Spiel der ebenfalls sich dem Gesamtbild (schwarze Kleidung) unterordnenden Musiker verstärkt wird. Sie spielen Songs der aktuellen LP COMPUTERWELT, nahtloser Übergang zu Bekanntem: „Autobahn“, „TEE“, „Neonlicht“, „Das Modell“, „Radioaktivität“. Die künstlich erzeugten Töne beginnen zu leben, sind voller Wärme. Kopfmusik, die voll den Bauch trifft Korrekturen werden vorgenommen – „Radioaktivität“, heute ein Song, der auch vor den Gefahren dieser Energie warnt. Bewußt wird, wie sehr Ralf, Florian, Wolfgang und Karl der Zeit, besser den Gedankenprozessen, vorausliefen und laufen, wie sehr sie einem ständig pulsierenden Denkprozeß unterliegen, wie sie die oft fremde Technik wieder begreiflich machen – „Taschenrechner“, gespielt auf elektronischen Kinderinstrumenten und eben einem Töne erzeugenden Taschenrechner. Das Spiel gerät zum Spiel; Hunderte tanzen. Eine Jugend, die begriffen hat, daß unser Leben auch Zwischentöne hat! Ein beeindruckendes Konzert-Erlebnis.