Kings of Leon im Palladium, Köln


Nach der Spanienkrise - siehe letztes Heft - hatte unsere Reporterin noch eine Rechnung mit den frischgebackenen Superstars offen...

So, heute aber! Dieses Konzert waren sie uns schliesslich noch schuldig. Letzten Monat in Barcelona standen wir mit 3.000 Fans bedröppelt auf der Straße, nachdem die Kings Of Leon ihren Auftritt kurz vor Einlass abgesagt hatten (siebe ME 4/09). Als dann tags darauf auch die Show in Madrid ausfiel, stellte sich ernsthaft die Frage: Ist das ein Ausrutscher oder sind es die ersten Anzeichen eines Burnouts? Erleichterung also, als Caleb Followill um Punkt neun biertrinkenderweise auf die Bühne des ausverkauften Palladiums schlendert und ins Rund lächelt, gefolgt von Bruder Jared (Bass), Cousin Matthew (Gitarre) und Bruder Nathan (Schlagzeug). Der scheint auch wieder besser in Form als zuletzt backstage in Barcelona, reilit die Hände in die Luft und zeigt seine muskulösen Arme her. Es geht los mit dem brodelnden „Crawl“. Der Sound ist für diese Halle ungewohnt gut, erste Becher fliegen. Schon nach ein paar Minuten, bei „My Partv“, singt alles mit.

Wer befürchtet hatte, die Kings wären mit ihrem exquisit produzierten aktuellen Album zur fiesen Stadionband mutiert, sei beruhigt: Sie spielen tight und makellos wie eh und je, keine übertriebene Lightshow, keine Übertlüssigkeiten. Noch etwas zeigt sich in diesen ersten Minuten: Die Band ist lockerer geworden. Gaben sie sich noch auf der letzten Tour unnahbar — superstylisch, die Lederjacken bis unters Kinn zugeknöpft, wortkarg, bewegungslos -, erscheinen sie heute fast kumpelhaft. Caleb trägt sein weit geöffnetes Jeanshemd über der Hose, lacht viel und gestikuliert beim Spielen. Leider ist mit der neuen Nahbarkeit auch das beliebige Schwadronieren dazugekommen, das man von erfolgreichen Bands so kennt: Wiederholt gibt’s Lob an die „amazing andience“ und Danksagungen für die Plattenkäufe. Calebs Stimme ist arg angeschlagen, aber das stört niemanden, die Hits von ON1.V BY THE NICHT werden genauso berauscht angenommen wie die alten, und bei „Sex On Fire“ bittet Caleb das Publikum um gesangliche Mithilfe. Alle rasten nun komplett aus. Sie spielen druckvoll und facettenreich, bemüht, den Studioversionen der Songs möglichst nahezukommen. Nathan am Schlagzeug produziert dabei locker eine rote Kaugummiblase nach der anderen, wohingegen Matthew sein Gesicht verzieht, als würde er jeden Moment entweder in Wut oder in Tränen ausbrechen, während er seiner Gitarre erstaunlich viele Details entringt. Derweil sorgt der Tourmanager dafür, dass für Matthew immer genug zu trinken in Reichweite steht; Strohhalm ist Pflicht, damit er auch beim Spielen ran kann. Nach einer Stunde ist erst mal Schluss. Zu Beginn des Zugabenblocks schüttet sich Nathan auf seinem Podest stehend ein Bier auf ex rein, während Caleb die hohen Konzertticketpreise beklagt und im Überschwang ankündigt, man werde noch diesen Sommer wiederkommen und einen kleinen Gratis-Gig spielen. Klar. Der Tourmanager balanciert dazu ein Schnapsglas auf dem Kopf. „Knocked Up°, „Manhattan“, „Charmer“, „BlackThumbnail“ – nach eineinhalb Stunden hat Nathan die Arme wieder in der Luft und lässt sich feiern. Caleb wirft seinen Backstagepass in die Menge, nimmt sein Glas und geht. Ende Juni kommen die Kings Of Leon übrigens tatsächlich wieder nach Köln (und nach Berlin; s. Tourdaten S. 106). Aber nicht für einen kleinen Gig, sondern in die 18.000 Leute fassende Lanxess Arena. Heute ist aber erstmal egal, was noch kommt: Das ausgefallene Barcelona-Konzert ist jedenfalls verziehen – zumindest von Köln aus.

Albumkritikt ME 10/08