Kate Nash über Verwandlung
Zeiten ändern dich: Kate Nash wurde berühmt mit „Mouthwash“ und „Foundations“, mit Kaugummiliedern für eigensinnige Mädchen. Da war sie Anfang 20. Jetzt ist sie Mitte 20 und ein Cockney-Riot-Grrrl. Die neuen Songs sind verstörende Wutausbrüche, sie tragen Titel wie „I’m A Feminist You’re Still A Whore“ und „Free My Pussy“.
Kate, du hast dich neu erfunden.
Kann man wohl sagen.
Man erkennt dich kaum wieder, auch die Musik ist eine andere, kämpferischer.
Das war keine bewusste Entscheidung, sondern ganz natürlich. Niemand sollte der-selbe sein wie mit 17, und wenn, dann sollte man sich um ihn Sorgen machen. Nur von öffent-lichen Personen wird aus irgendeinem Grund erwartet, dass sie immer bleiben, wie sie sind. Das ist langweilig, auch für Fans.
Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Es ist viel passiert. Ich hatte zwei schwierige Jahre und möchte da bitte nicht mehr ins Detail gehen. Ich hatte das Gefühl, mich wieder in meine Arbeit stürzen zu müssen, um beim Grübeln nicht aus der Spur zu geraten und als seelisches Wrack zu enden. Weil sich alles um mich herum und in mir drin verändert hatte, musste ich mich auch anders ausdrücken.
So ein Sich-neu-Erfinden birgt Risiken, man verlässt sein sicheres Terrain.
Im Gegenteil: Ich bin mir meiner selbst nie sicherer gewesen. Es interessiert mich kaum noch, was andere von mir denken. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue und fühle mich wohl in meiner Haut als Singer/Songwriterin. Künstler sollten sich keine Gedanken über Risiken machen. Kunst, die nicht riskant ist, provokant und rebellisch, hat es nicht verdient, Kunst zu sein. Manchmal muss man die Leute vor den Kopf stoßen, auch wenn es für einen selbst beängstigend sein mag. Irgendjemand muss das ja machen, und Spaß bringt es schließlich auch.
Melden sich gelegentlich leise Zweifel daran, ob die Verwandlung rundum gelungen ist?
Ich habe sechs Jahre gebraucht, um Menschen zu finden, denen ich als Musikerin vertrauen kann. Dem Management, den Mädchen meiner Band. Sie würden mir keine Dummheit durchgehen lassen. Andererseits: Es geht dann doch nur um Musik. Eine meiner besten Freundinnen ist gestorben, sie war erst 24. Das Leben ist zu kurz, um sich zu viele Gedanken über so was wie Kunst zu machen.
Was willst du der Welt beweisen?
Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wenn ich es wüsste, könnte ich aufhören.
Du spielst jetzt sogar Bass.
Oh, ja. War ein netter Zufall: Vor drei Jahren fing ich an, nebenher in einer Punkband zu spielen, The Receeders. Gitarre und Schlagzeug waren schon besetzt, wie immer, also habe ich den Bass gekriegt – und habe mich auf der Stelle in das Instrument verliebt. Es ist stark und mächtig. Außerdem ist Bassspielen ganz einfach.
Darum wollen alle lieber Gitarristen sein. Bass ist ihnen zu primitiv.
Ich liebe es, mit dem Bass Songs zu schreiben. Für eine Songwriterin sind Limitierungen attraktiv. Du musst dich jederzeit auf den Text und die Melodie konzentrieren, du kannst dich gar nicht in den Ornamenten verlieren, in der Dekoration.
Wie auf dem Klavier?
Oder auf der Gitarre. Die Verzierungen sollten immer das Letzte sein, was ein Song braucht. Ein guter Song sollte einen Kern haben, der auch ohne Zierrat funktioniert, wenn er auf sich selbst reduziert gespielt wird, am besten lediglich vom Bass begleitet. Ich will nicht behaupten, dass ein Song durch ein gewisses Drumherum nicht besser klänge. Aber dabei geht es ja nicht um das Stück an sich, seine Essenz, sondern letztlich nur um die Anmutung der Aufnahme. Aber weiß du was? Vor allem fühlt sich so ein Bass total cool an. So blöd es vielleicht klingt: Wenn ich Bass spiele, fühle ich mich endlich frei. Darin gehe ich auf.
Mittlerweile kann man getrost von einer Tradition weiblicher Bassisten reden.
Klar: Suzi Quatro. Kim Gordon. Kim Deal. You can’t fuck with them. Sie haben mich definitiv dazu inspiriert, mich zu verändern.
Benutzt du einen besonderen Bass?
Einen gewöhnlichen Fender Precision, in Weiß. Vor Ewigkeiten habe ich ihn auf einer Tour gekauft, einfach als Ersatzbass für die Band. Gern würde ich erzählen, dass ich durchgedreht wäre, als ich ihn im Laden erblickt habe. Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick. Er war bloß der weiße Bass, so haben wir ihn auch genannt. Als ich dann bei den Receeders angefangen habe, du erinnerst dich: die Punkband, habe ich ihn mir gegriffen, und da hat es mich plötzlich voll erwischt. Ich kann das nicht erklären. Während der Vorbereitungen auf mein neues Album fand ich, es wäre an der Zeit, mir einen richtigen Bass zu kaufen. Schließlich war ich ja nun Bassistin. Ich habe ein paar ausprobiert, aber schnell gemerkt, dass der weiße Precision genau der Richtige für mich ist. Auch sein Sound gefällt mir. Seine Höhen sind außerordentlich, er zerrt schnell. Was soll ich mit zu viel Tiefen und Subbässen? Ich mag es heute in den Mitten laut und in den Höhen scharf. Bei den Aufnahmen war meine Bassspur so voller Höhen, dass wir Extrabässe einspielen mussten. Schließlich soll es ja jetzt der Bass sein, der bei mir im Vordergrund steht! Aber was wäre der Bass ohne meinen kleinen Ampeg-Verstärker? Außerdem habe ich mir für ihn ein Distortion-Pedal zugelegt, nichts Extravagantes, ganz schlicht.
Der Bass hat deine Persönlichkeit verändert?
Der Bass bin ich. Deshalb ist sein Corpus voller Aufkleber, und sein Gurt ist aus Fell und pink.
Kate Nash kommt 1987 im Nordwesten Londons zur Welt. Wie viele Musiker ihrer Generation absolviert sie die BRIT School in Croydon. Anschließend wäre sie gern Schauspielerin geworden. Sie scheiterte an den Aufnahmeprüfungen und entscheidet sich, Singer/Songwriterin zu werden. Erfolgreich wird sie mit Londoner Mundart-Pop und über Myspace. 2007 erscheint ihr erstes Album, 2010 ihr zweites. Das dritte, GIRL TALK, soll Anfang 2013 erscheinen und rigoros mit ihrem Frühwerk brechen.