Journalisten und Kollegen dissen Nickelback als platte Creed-Kopie. Dem rasanten Aufstieg der kanadischen Band tut das keinen Abbruch.


Man kennt das ja. Die Streitereien fangen meist wegen einer Nichtigkeit an. Ende vergangenen Jahres verglich ein gewisser Matthew Good Nickelback in einem Interview mit einer Band, deren Name „mit C anfängt und sich auf mead reimt“. Was nun erstens nicht ganz aus der Luft gegriffen und zweitens per se noch kein Vorwurf ist. Die Parallelen zwischen den beiden Bands sind beim besten Willen nicht zu überhören. Man muss das ja nicht gleich so kritisch sehen wie das englische „Q“, das schon in seiner Rezension zum letzten Album „The State“ anmerkte: „At their best Nickelback sound like a poor man’s Pearl Jam and at worst a rich man’s Creed.“ Was Nickelback-Sänger Chad Kroeger über diese vernichtende Besprechung denkt, weiß man nicht und will man lieber auch nicht wissen. Denn schon die vergleichsweise harmlose Äußerung seines Kollegen Good, Chef der Matthew Good Band, brachte den Mann mit der Jesus-Frisur komplett auf die Palme.

Die erste Runde des Fights wurde noch auf regionaler Ebene ausgetragen. In der „Calgary Sun“ erklärte Kroeger, dass er nicht verstehen könne, wie Good ihm derartig in den Rücken habe fallen können. Und fügte hinzu, dass er ihm bei nächster Gelegenheit eine saubere Abreibung verpassen werde. Good antwortete im „Vancouver Province“: Er verstehe die ganze Aufregung nicht, habe Kroeger nicht beleidigen wollen, und seine Äußerung habe sich sowieso nur auf den momentan eher traurigen Zustand des Mainstream-Rock bezogen. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand das lächerliche Spektakel in einem Interview Kroegers mit „rollingstone.com Frage, wen er hasse, antwortete Kroeger unverblümt: „Matthew Good.“ Und legte gleich noch einen nach: „In Kanada verkauft er einen Haufen Platten, in Amerika überhaupt nichts. Und wenn dann eine andere kanadische Band sich in Amerika den Arsch abspielt und in der Folge auch richtig Erfolg hat, lässt er blöde Kommentare ab. Nur weil du in zwei Monaten eine Million CDs in Amerika an den Mann bringst, bist du plötzlich der bad guy, und deine Band ist ein Creed-Rip-off.“ An ein Friedensangebot ist nicht zu denken, im Gegenteil: Eine gehörige Tracht Prügel werde er Good verpassen, wenn er ihn in die Finger bekomme, so Chad.

Dabei könnte sich Mr. Kroeger eigentlich mal ein bisschen locker machen. Das aktuelle Nickelback-Album . Auf die „Silver Side Up“ hält in Amerika Kurs auf die Vierfach-Platin-Marke. Will heißen, dass bald vier Millionen Stück davon verkauft sind. Die Single „How You Remind Me“ schaffte es an die Spitze der Ami-Charts. Zuletzt gelang dies einer kanadischen Band 1970: The Guess Who mit „American Woman“. Nickelback sind also ein Begriff in den USA. Von der Matthew Good Band hingegen haben die allermeisten Amerikaner noch nie auch nur einen Ton gehört. Auch hierzulande geht mit Nickelback einiges: Album und Single klettern die Charts rauf, die Musiksender nudeln das Video zu „How You Remind Me“ rauf und runter, sogar Teenie-Magazine wie „Yam!“ haben die Band für sich entdeckt und übersetzen ihren Lesern vorsorglich den Text des Hits.

Der ist nicht wirklich eine intellektuelle Meisterleistung, soll er aber auch gar nicht sein. „Never made it as a wise man, couldn’t cut it as a poor man stealing, tired of living Itke a blind man, I’m sick inside without a sense of feeling.“ „Es geht um das Gefühl“, erklärt Kroeger, „das du hast, wenn die Frau, mit der du schon lange verheiratet oder zusammen bist, anfängt, dir Vorhaltungen zu machen.“ Und fügt hinzu: „Ich habe mir von so vielen Leuten anhören müssen, dass die Texte der letzten Platte zu abgehoben gewesen seien. Aber ich dachte eben, wenn ich das alles etwas vage und abstrakt halte, dann könnte ich meine Erfahrungen für mich behalten.“ Scheint ein rechtes Sensibelchen zu sein, der Herr Kroeger. „Wir haben einen Punkt erreicht, wo es mir ein bisschen zu viel wird – zu viel Ruhm, zu viel Geld.“ Das war vor gar nicht allzu langer Zeit noch anders.

1996 taten sich Chad Kroeger und seine Brüder Mike und Brandon mit Ryan Peake zusammen. Da es in ihrer Heimatstadt Hanna in der kanadischen Provinz keine Auftrittsmöglichkeiten gab, zogen sie nach Vancouver. Mike Kroeger arbeitete in einer Filiale von „Starbucks“, sagte – wenn er das Wechselgeld herausgab – tausend Mal am Tag „Here’s your nickel, back“. Sie spielten mit „Hesher“ eine erste EP ein – wieder ein Wortspiel, diesmal in Anlehnung an einen Kumpel, der immer „Hey, sure“ sagte. Bislang wurde die EP nicht wieder veröffentlicht, in diversen Internetauktionen ging sie unlängst für satte 400 Dollar pro Stück weg. Nach den Aufnahmen zu „Hesher“ verließ Brandon Kroeger die Band, für ihn kam Mitch Guindon in die Mannschaft. Zusammen spielten sie ihr Debütalbum „Curb“ ein, das nur in Kanada veröffentlicht wurde. Sogar das lokale Musikmagazin „Drop-D“ aus Vancouver notierte: „Eigentlich hätte die Band genug Talent, was Interessantes auf die Beine zu stellen. Aber stattdessen haben wir hier schon wieder eine Combo, die haarklein wie Pearl Jam klingt.“

1998 dann der bislang letzte Wechsel: Ryan Vikedal löste Drummer Mitch Guindon ab. 1999 brachte die Band über ihr eigenes Label das Album „The State“ auf den Markt. Kurz darauf bekam sie einen Vertrag bei EMI Kanada, die das Album mit leicht geänderter Cover-Optik im September ’99 nochmals in die Läden stellte. Im Frühjahr 2000 wurden auch amerikanische A & R-Leute auf Nickelback aufmerksam. Roadrunner sicherte sich die Band, im März 2000 stand „The State“ – wieder mit leicht veränderter Cover-Gestaltung – in den LIS-Shops. Derweil rissen Nickelback ein Konzert nach dem anderen herunter, eröffneten für Fuel, 3 Doors Down und – natürlich – Creed. Die Singles „Breathe“ und „Leader Of Men“ stiegen langsam die Rock-Charts hoch. Im Frühjahr letzten lahres erschien „The State“ dann auch in Deutschland, der Rest der Geschichte ist bekannt. Ende September 2001 folgte „Silver Side Up“. Wieder war in vielen Besprechungen von einer Creed-Kopie die Rede. Ein Vorwurf, den die Band ja vielleicht auf der anstehenden Deutschland-Tour zu entkräften vermag.

www.nickelback.com