Joe Jackson


Beethoven und Gustav Mahler als Vorbilder - keine leichtverdauliche Kost vom spindeldürren Musikgenie. Vergrault er mit dem Klassik-inspirierten 'Night Music' auch treue Freunde?

Hitparaden interessieren ihn längst nicht mehr. „Was du da zu hören bekommst, ist 90% Schrott“, mault der in New York lebende Engländer: „Diesem Wettkampf setze ich mich nicht aus. Die Top 40 – das ist nichts anderes als eine Sportveranstaltung. Der Sieger ist derjenige, der die meisten Platten verkauft.“ Und der wird nach ‚Night Music‘ sicher nicht Joe Jackson heißen. Die zehn klassik-geprägten Titel stemmen sich gegen die Hörgewohnheiten von Otto Normalverbraucher. Barocker Klavierabend am Konservatorium. Ihm ist’s egal, ob er damit viele Freunde findet: „Ich mache Musik für mich. Wenn nur ein einziger Mensch 35 Mark für das Album auf den Tisch legt, ist das für mich schon ein Erfolg“, sagt er. Dennoch gibt er für das neue Werk artig Interviews. Kein Widerspruch? „Das gehört nunmal zum Geschäft“, sagt er mit Leichenmiene, um kurz über das Business zu wettern: „Dummerweise kannst du deine Musik nicht promoten, ohne gleichzeitig auch dein Gesicht zur Schau zu stellen. Das mag ja vielen Musikern gefallen, wenn sie auf der Straße erkannt und angesprochen werden. Mir aber ist das ein Greuel.“ Eigenbrödler. War er schon, als er von 1971 bis 1974 an der Londoner Royal Academy of Music Komposition studierte (im gleichen Semester wie Annie Lennox), und er war es um so mehr, als ihn die britische New Wave-Bewegung nach seinem Debüt ‚Look Sharp‘ (1979) als Leitfigur haben wollte. Mit musikalisch radikal unterschiedlichen Alben wie ‚I’m The Man‘, ‚Beat Crazy‘, dem mehrere Millionen mal verkauften ‚Night & Day‘ und zuletzt ‚Laughter & Lust‘ überraschte der Brite mit dem käsigen Teint stets auf’s Neue. Drei Jahre lang brütete er über ‚Night Music‘, ließ sich dabei von Beethoven und Mahler inspirieren. Fühlt er sich mit 40 für den Rock schon zu alt? „Stimmt. Für einen Rockstar wäre ich mit 40 schon ziemlich alt“, schmunzelt er, trüb-blaue Augen auf einem Punkt an der Hotelzimmerdecke fixiert. „Für einen Komponisten bin ich allerdings noch ziemlich jung“.