Iron Maiden…ganz normale Boys


Als sich Iron Maiden vor fünf Jahren in London gründeten, war es für sie wahnsinnig schwer, Auftrittsmöglichkeiten, geschweige denn einen Plattenvertrag zu bekommen - Punk war die Sensation. Für Schwermetaller eine böse Zeit. Aber da sie harte Burschen sind, haben sie Geduld gehabt und das Warten hat sich gelohnt. Heute steht der Wind wieder auf HM und die Maidens gehören zum besten Nachwuchs.

‚Thank you, you’re a great audiance“, bedankt sich Paul Di’anno noch kurz, bevor Iron Maiden nach zirka einer Stunde die Bühne des Bremer Musikladens verlassen. Ich hatte es ihm allerdings auch nicht verübelt, wenn ihm ein „fuck off“ oder dergleichen rausgerutscht wäre. Das Publikum spendet dezenten Applaus, erhebt sich und verläßt dann fast lautlos und sehr gesittet die TV-Studios.

„I’ve only seen four headbangers“, meinte Steve Harris enttäuscht in der Garderobe. In der Tat, das Publikum dieser Musikladen-Special-Aufnahmen unterschied sich kaum von dem einer Anneliese Rothenberger-Show. Dementsprechend war auch die Resonanz. Nämlich gleich Null. Ich möchte wirklich gern wissen, was sich die TV-Macher dabei gedacht haben, als sie die Karten verschickten. Bei einem Durchschnittsalter von 35 Jahren liegt es doch klar auf der Hand, daß die Zuschauer/Zuhörer keinen Draht für Heavy-Metal-Rock besitzen, jedenfalls blieb der Band nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die Musiker ließen sich nichts anmerken (siehe oben), spielten tapfer weiter und versuchten immer wieder, das schweigende, unbewegliche Publikum zu motivieren. So entstand dann wahrscheinlich doch noch ein recht guter Videofilm, den ihr demnächst im Musikladen Special erleben könnt. Mit dabei übrigens die kanadischen April Wine, die einen Tag spater mit dem gleichen Dilemma zu kämpfen hatten.

Aber beim anschließenden Essen war der Ärger über die „fukkingTV-Sessions“ verflogen. Gerade bei einer Schwermetallgruppe wie Iron Maiden erwartete ich eigentlich kräftige Image-Pflege, frei nach dem „was-sindwir-doch-für-böse-Buben-Motto“. Weit gefehlt, von Starallüren keine Spur – „They are just ordinary guys“, wie es eine Bekannte von der EMI sehr treffend formulierte, Iron Maiden – das ist nicht nur die Band selbst, sondern die gesamte Roadcrew inctusive Steves süßer Freundin Loraine. Und Star der langen Nächte ist keineswegs einer der Musiker, sondern ein aufgedrehter Roadie namens Dave Lights, der es ohne weiteres fertigbringt, sechs Stunden ununterbrochen zu reden. Die gesamte Truppe spricht übrigens einen fürchterlichen Cockney-Slang, den eigentlich nur Leute, die, wie die Band, aus dem Londoner East End kommen, hundertprozentig verstehen.

Die East-End-Pubs waren auch die Geburtsstätten von Iron Maiden. Vor ungefähr fünf Jahren wurden die Gruppe dort vom Baßisten Steve Harris ins Leben gerufen. „Ich wollte eine Rockband gründen, um echte Rockmusik zu machen. Wir wollten nie Punk oder sonst was spielen, sondern schon immer straighten Rock“, sagt Steve aus vollster Überzeugung. „Aber damals begann gerade die Zeit des Punk und es war sehr schwer, Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen, geschweige denn einen Plattenvertrag. Das heißt, einmal bekamen wir ein Angebot, allerdings unter der Bedingung, uns die Haare abzuschneiden und New Wave zu spielen, aber das kam für uns nicht in Frage. Paul trug damals übngens auch lange Haare, aber heute zieht er es vor, sich optisch etwas vom Rest der Band abzuheben, obwohl ich glaube, das er sie inzwischen wieder wachsen lassen will.“

Während der ersten Zeit wechselte die Besetzung häufig, erst ’78 entstand mit Dave Murray (git), Paul Di’anno (voc), Doug Sampson (dr) und Steve Harris (b) eine beständige Formation. Da man sich damals in London als unbekannte HM-Band allerdings kaum über Wasser halten konnte, existierten Iron Maiden bis zum Sommer ’79 lediglich halbprofessionell. Aber dann erlebte „The New Wave Of British Heavy Meta!“ einen gewaltigen Aufschwung, und schon bald bildeten Iron Maiden zusammen mit Saxon und einigen anderen jungen Bands die Spitze dieser neuen, sich rasch ausbreitenden Bewegung. „Saxon wollen die lautesten sein. Ob ich sie mag? Ja klar, aber ich finde ihre Art von Musik ist mit der unseligen nicht vergleichbar. Sie klingen so ähnlich wie AC/DC, während wir uns mehr von UFO oder Scorpions beeinflußt fühlen“, sagt Steve über Maidens derzeit wohl härtesten Konkurrenten und freut sich, als ich ihm erzähle, daß sie beim diesjährigen ME-Poll weit vor Saxon hegen.

Aber zurück zur History. Im Dezember ’79 mußte Doug die Gruppe aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Für ihn kam Clsve Burr, außerdem verstärkte Dennis Stratton als zweiter Gitarrist die Band. In dieser Besetzung wurde die erste LP eingespielt, die daraus ausgekoppelten Singles „Running Free“ und „Sanctuary“ wurden in England auf Anhieb Top-30-Hits. In der nächsten Zeit waren Maiden ständig auf Tour, wodurch ihre Popularität enorm gestiegen ist, das Rainbow Theatre war restlos ausverkauft, das M sr quee sogar drei Tage hintereinander. Höhepunkt war ein Auftritt beim Reading Festival vor 35 000 Leuten. Dann folgte die Tournee mit Kiss, über die Steve überwiegend Positives zu berichten weiß: „Nein, ich halte Kiss nicht für eine Teeny -Gruppe. Auf Platte mag ich sie zwar nicht besonders, aber live sind sie wirklich gut. Auch der neue Drummer ist viel besser als sein Vorgänger. Und sie sind alle sehr nett, wir hatten viel Spaß zusammen. No monsters – just humans“, fügt er grinsend hinzu.

Nach der Kiss-Tour verließ Dennis Stratton die Band wieder. „Dennis paßte irgendwie nicht mehr in die Band, denn er ließ mehr und mehr durchblicken, daß ihm unsere Musik nicht gefiel. Er steht sehr auf amerikanische Bands, wie die Eagles oder Poco. Das soll nicht heißen, daß wir nur HM mögen, ich/persönlich höre z. B. sehr gern Golden Earring, Todd Rundgren oder Jethro Tull. Aber Dennis orientierte sich zu sehr am amerikanischen Softrock, das war einfach nicht mehr gut für die Band“, erklärt Steve die „musikalischen Differenzen“.

Wegen eines neuen Gitarristen brauchte sich die Gruppe keine Sorgen zu machen, mit Adrian Smith, einem Schulfreund von Dave, fand sich ein ausgezeichneter Ersatzmann. Adrian spielt übrigens schon auf der neuen LP „Killers“, für die Iron Maiden den berühmten Produzenten Martin Birch engagieren konnten. Er war schon mit Bands wie Deep Purple, Black Sabbath, Rainbow, Whitesnake und Blue Öyster Cult im Studio. „Es war toll mit ihm zu arbeiten“, sagt Steve begeistert. „Ich halte ihn für den besten Produzenten, den eine HM-Band bekommen kann. Es ist wirklich nicht schwer, unter seiner Anleitung gut zu spielen.“ Daß „Killers“ in der Tat recht gut geworden ist, könnt ihr unter Longplayers nachlesen.

„Als nächstes folgt jetzt erst einmal eine große World-Tournee“, fährt Steve fort, „im Mai sind wir wieder in Germany und irgendwann auch in Japan und in den USA. In Japan sind wir zum Newcomer Nr. 1 gewählt worden, während wir in den USA lediglich als Supporting Act auftreten können, dort sind wir so gut wie unbekannt. Hoffentlich mögen uns die Kids da drüben überhaupt …“

Nur keine falsche Bescheidenheit, Steve. Wenn ihr Europa und den fernen Osten erobert habt, werdet ihr wohl auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Fuß fassen. Und außerdem gibt es dort ja nicht nur die Eagles und Poco, sondern auch Rockbands wie Aerosmith und Molly Hatchet und Van Haien und…