Interpol . Berlin, Maria am Ufer
Die Dressmänner aus New York präsentieren ihr neues Album. Und spielen kaum Songs davon.
Zunächst gilt der Blick natürlich der Kleiderordnung, denn adrettes Erscheinungsbild stellt bei Interpol einen integralen Bestandteil des Bandkonzeptes dar. Der NME vermutete hinter dem Garderobenfimmel gar einen Knalleffekt: „Interpol are smart bombs – they know how to survive the war in style“. In der Maria schwitzt Drummer Samuel Fogarino im knallroten Hemd. Gitarrist Daniel Kessler hält eine Stunde im Anzug durch und die auffälligste Gestalt, Bassist Carlos Dengler, hat sich wieder einmal frisiert, als wolle er demnächst bei Laibach einsteigen. Nur Sänger Paul Banks belässt es vergleichsweise unspektakulär bei Hemd und Schlips. Grundsätzlich gilt: Black is the colour, auch für die Musik. Die Herrschaften haben es mit dem düster-introvertierten Stil von Joy Division, Psychedelic Fürs oder The Cure. Dem angemessen erweckt die Stimme von Banks besonders live einen Eindruck von Freudlosigkeit. Nur klingt alles dann doch deutlich weniger verbissen als bei den derzeit wieder hoch gehandelten Kultbands der 80er Jahre.
Gemäß einer Verlautbarung des Veranstalters handelt es sich bei dem, was man von Interpol an diesem Abend geboten bekommt, um einen „Showcase-Auftritt“. Dieser Terminus bezeichnet eine Konzertform, bei der die Vorstellung einer Band oder aber eines neuen Albums einer Band in intimer Clubatmosphäre im Mittelpunkt steht. Wie Interpol sich diesem Procedere unterziehen, ist eher ungewöhnlich. Zwar kommt demnächst ihr zweites Album namens antics in die Läden, doch an diesem Abend in der Maria hört der gespannte Fan überwiegend bekannte Stücke. Die Anhänger sind im Bilde, sobald sie die ersten Akkorde vom Opener „Obstacle 1“ oder von „Say Hello To The Angels“ vernehmen. Nur fünf von zwölf dargebotenen Songs sind aktuelleren Datums. Dabei hätten hörenswerte Neuschöpfungen wie „Not Even Jail“ oder „Next Exit‘ Abwechslung ins Programm bringen können. So aber entwickelt sich das Konzert zu einer etwas gleichförmigen Routinedarbietung. Einige Zuhörer zeigen sich anfangs begeistert, doch nach jedem Stück verhallt der lautstarke Applaus rasch wieder und weicht einer lang anhaltenden, gespannten Stille. Man will nicht recht aus sich heraus, was auch für die Band selbst gilt. Interpol ersticken in einem Gemisch aus Stilbewusstsein und Wohlerzogenheit und vermeiden alles, was richtige Randale verursachen könnte. Eine echte Gefahr für die herrschende Rock’n’Roll-Hierarchie werden sie so wohl nicht.