„„Ich hatte Angst. Ganz klar.“
Lampenfieber von null auf.4.0. 20 Stunden Kamera-Terror am Tag. Die Rolle des Markus Hansen wollte und konnte Jürgen Vogel keinen Schutz bieten. Erst als die Grand-Hotelvan-Cleef-Supergroup Hansen Band aus dem Film „Keine Lieder über Liebe“ (siehe auch Seite 101) ganz und gar ins richtige Leben eintauchte, ging es ihrem Frontmann besser. Heute sitzt er da, Farbe im Gesicht, „Tomte„-Schriftzug auf der Brust, und grinst sein breites, von zwei angeschlagenen Schneidezähnen eingerahmtes Grinsen. Dieser Film, er war „schlimm und gut „für ihn, sagt er.
Du hattest zuvor nie auf einer Buhne gestanden – auch nicht im Theater. So waren deine Auftritte mit der Hansen Band deine Premiere vor Publikum. Wie war das, als du plätzlich Applaus bekommen hast?
Jürgen Vogel: Ich denke, es gibt da noch einmal einen Unterschied zum Theaterschauspieler. Als solcher glaubst du, daß es ausgesprochen viel mit deiner Einzelleistung zu tun hat, wenn du Applaus kriegst. Bei der Musik war das anders. Und das kam mir auch sehr entgegen, weil ich es eigentlich nicht mag, wenn man eine direkte Reaktion vom Publikum bekommt.
Ich mag es, daß man beim Film eingesperrt ist in so eine Art Psychiatrie. Du bist unabhängig vom Publikum, völlig unbestechlich. Mit der Musik war es aber wenigstens so, daß du das Gefühl hattest: Das hat nicht nur mit mir zu tun, sondern mit der gesamten Band. So habe ich mich auch nie allein gefühlt.
Aber hast du bei Film-Premieren nie gedacht: Naja, der Applaus, den bekommt jetzt dieser Star Jürgen Vogel?
Nee, gar nicht. Ich rede mir dann immer ein, das ist jetzt fürs ganze Projekt. Ein Schauspieler ist doch auch immer nur so gut wie seine Rolle. Und da habe ich eben schon viel Glück gehabt.
Das ist ja nicht nur eine Frage des Glucks. Man muß bei ekligen Sachen eben auch mal nein sagen können.
Nee, eklige Sachen muß ich machen, (lacht) War das Musikersein ein alter Traum von dir?
Nee, gar nicht. Mich hat Musik einfach immer interessiert. Deshalb wollte ich einen Film machen, in dem Musik eine Rolle spielt – selbstverständlich und nicht ausgestellt. Die Musikszene rund ums Grand Hotel van Cleef, die Art der Konzerte, die Menschen, die da hingehen – das war eine Welt, die ich nicht kannte. Die ich aber superinteressant finde, weil sie dem ähnlich ist, was ich will im Film. Mit einem Film wie „Scherbentanz“ erreichen wir auch kein großes Publikum, aber ein sehr interessiertes. Eines, das bereit ist, einen Weg mitzugehen, der nicht immer einfach ist.
Hat deine Ausbildung zum Sanger parallel zum Filmprojekt stattgefunden ?
Wir waren zum Start soweit, daß wir diese Tour machen konnten. Wir hatten ein halbes Jahr vorher angefangen zu proben. Das Konzept für den Film war: Wir geben neun Konzerte, die nicht durch die Dreharbeiten gestört werden dürfen. Dafür mußten wir eine richtige Band sein.
Und wann hast du dir dabei zum ersten Mal gedacht: Scheiße, auf was habe ich mich da eingelassen?!
(lacht) Oh, das habe ich oft gedacht. Das ging schon los, als ich Lars Kraume (der Regisseur- Anm. d. A.) getroffen habe, ihn gefragt habe, ob er Lust hätte, diesen Film zu machen, ob er Ideen dafür hätte. Und er hatte sehr gute Ideen. Ich dann so: „Ja, geil, das hört sich gut an … ach so, ein Bruder, der über seinen Bruder, der Musiker ist, ’neDoku macht. Super, das ist ja toll ….'“
Aber dann wurde mir klar: Der Bruder, über den ich da rede: Das bin ja ich! – „Wie, du meinst, wir spielen da richtig live?“ „Jaja, sonst wäre es ja ein Fake. Das geht nicht. ‚ Ich fand diese Idee scheißgut, aber eben nicht, daß ich mich da hinstellen muß und richtig die Hosen runterlassen. Das war mit das Härteste, was ich in meinem Leben gemacht habe … an Arbeit.
Als du die ersten Male auf die Buhne gehen mußtest, war da dein Gedanke: So, jetzt mach‘ ich Musik? Oder: Jetzt spiele ich Markus Hansen?
Darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Du mußtdir vorstellen: Wir sind jeden Tag 20 Stunden gefilmt worden. Ich konnte gar nicht weg von der Figur… Aber der erste Abend war wirklich schlimm. So sehr hatte ich noch nie Angst. Ich dachte: Das schaffe ich nicht, das schaffe ich heute nicht. Ich habe den Jungs gesagt: „Hey, ich glaube, ich bin krank. Ich war jetzt sieben Mal auf Toilette, und ich glaube, ich habe so ’nen Scheißvirus.“ Und die haben sich totgelacht.
Der nervöse Jürgen hat den nervösen Markus gespiel t…
Ja, ganz bewußt. Wir haben das benutzt. Wir sind noch weiter gegangen, haben gesagt: Wenn es so sein sollte, daß die Leute die Musik scheiße finden, dann ist das eben die Tour einer Band, die keinen Erfolg hat. Filmisch wäre das gut gewesen. Aber für mich, der mit der Band ein halbes Jahr geprobt hat, eine Katastrophe.
War die musikalische Herausforderung letztlich größer, als du gedacht hattest?
Ich glaube schon, daß ich musikalisch bin. Das Problem ist das Singen – wirklich dem gerech t zu werden, was da geschrieben und komponiert wurde. Aber ich glaube, das habe ich immer besser hingekriegt.
Wie groß war die Befreiung, als ihr endlich ohne Kamera auf der Bühne stehen durftet?
Das war geil! Alles andere war weg. Der Film: jetzt mal weg. Und jetzt mal die Platte, die Band, die Musik und die Leute, die die Musik mögen.
Kannst du ein Instrument spielen ?
Ein bißchen Gitarre. Ich hatte aber nicht den Ehrgeiz, so zu tun, als würde ich das richtig können. Beim Performen wußte ich hingegen: Egal ob ich gut oder schlecht singe, irgendwie performen werde ich hinkriegen. Irgendwie diese Texte zu interpretieren – das muß ich schaffen! Mir war klar: Wenn ich das nicht hinkriege, bin ich ein beschissener Schauspieler.
Erzähl mal von einem Musiker-Ritual, das du kennenlernen durfest!
White Russian! Markus war der Vorreiter: „Hey, das ist geil, das ist mit Magermilch!“ Ich dachte, das wäre ein Milchmixgetränk. Aber da ist ganz viel schlimmes Zeug drin. Damit haben sie mich abgefüllt und sich tierisch amüsiert, weil sie wissen, daß ich keinen Alkohol trinke. Ich konnte aber auch nicht sagen: Nee, ich trinke nicht. Weil das nicht zur Figur gepaßt hätte. Also war ich dann 30,40 Prozent des Drehs über breit.
Hast du an Musikern bestimmte Macken entdeckt?
Nein, ich bin ja mit Schauspielern groß geworden und selber auch einer. Also, Exzentrik und eine bestimmte Eigenwilligkeit – das hat ja jeder von uns auf irgendeine Art. Und so ist das auch ganz gut. Ich mag es auch, daß das bei uns nicht so eine Band ist mit einem Frontmann und anderen Leuten, die der sich zusammengesucht hat. Sondern: Das sind alles Wölfe. Jeder für sich ist ein Leitwolf und hat sich bereit erklärt, in dieser Band zu spielen. Jedervon denen ist so eineganz starke Persönlichkeit, und das genieße ich sehr.
Hattest du am Anfang deshalb Komplexe ?
Komplexe, nun … Ich hatte Angst. Ganz klar. Weil ich mich auf einem Terrain bewegt habe, das ich nicht kenne. Aber ich bin eben auch schweineehrgeizig.
Hattest du eigentlich die Möglichkeit, dich allein auf „Keine Lieder über Liebe „zu konzentrieren – oder liefen zeitgleich andere Projekte?
Ich habe den Film und die Platte auch mitproduziert. Und deshalb habe ich mir die Zeit dafür genommen. Aber ich hatte auf jeden Fall eine stressige Zeit in meinem Leben, es war eigentlich sogar die schlimmste Zeit überhaupt … Es war privat gesehen einfach nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Es ist eben wie immer in meinem Leben: Es kommt alles auf einmal… Aber es war auch geil, (lacht) Beides: schlimm und gut.
Würdest du sagen, du hast durch Film und Musik Freundegefunden?
Ja. Auf jeden Fall. Es würde sonst nicht so einen Spaß machen.
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